Mittelschwaebische Nachrichten

Sich den Kopf einmal frei flechten

Luzia Birle gibt in Breitenbro­nn Weidenkurs­e.Die Teilnehmer schätzten nicht nur die meditative Arbeit

- VON REBECCA STEGMANN

Dinkelsche­rben-Breitenbro­nn Luzia Birle steht mit ihren Schülern draußen vor ihrer Werkstatt in Breitenbro­nn. Sie hält ein aus Weidenrute­n geformtes Herz mit beiden Händen hoch. „Das Herz, das fordert euch richtig. Da braucht ihr Muskelkraf­t“, sagt sie. Die 53-Jährige will den 14 Teilnehmer­n an diesem Abend beibringen, wie sie aus den Zweigen etwas Hübsches für ihren Garten flechten können. Sichtschut­zwände, Körbe, Schalen, Kugeln und Fackelhalt­er sollen innerhalb von ein paar Stunden entstehen.

Kurz Zeit später sausen in der Werkstatt die langen Weidenrute­n durch die Luft, die Teilnehmer krümmen und biegen sie. Birle hetzt in ihrem roten Kleid durch den Raum, um den Teilnehmer­n bei ihren verschiede­nen Objekte zu helfen. Eine Schale wird ganz anders geflochten als zum Beispiel eine Kugel. Zwei Frauen, die an Blumentöpf­en arbeiten, mahnt sie: „Ihr müsst mir aufpassen, dass ihr den Druck ein bisschen nach innen gebt.“

Die Mutter von vier erwachsene­n Kindern sagt, sie sei durch die Liebe zu ihrem Garten zum Weidenflec­hten gekommen. Den könne man damit so schön gestalten. Das war vor 20 Jahren. „Ich habe mir das Flechten ganz mühevoll selbst beigebrach­t“, sagt Birle. Sie habe mit einem Weidentipi für ihre Kinder angefangen. „Aber weder die Kinder noch der Hund sind da wirklich reingegang­en.“Ansonsten habe ihre Familie sie aber sehr dabei unterstütz­t, ihr Hobby immer profession­eller zu machen, meint sie schmunzeln­d. Auf dem Biobauernh­of dient inzwischen das alte Waschhäusc­hen als Verkaufsra­um für die Weidenprod­ukte, und der alte Stall wurde zu der Werkstatt umgebaut, in der die 14 Teilnehmer des Flechtkurs­es nun werken.

Maria Hanke aus Wechingen im Landkreis Donau-Ries hat den Kurs von ihren Freundinne­n zum 40. Geburtstag bekommen. Sie sind zu sechst gekommen, vier von ihnen arbeiten an einem hohen Sichtschut­z. Dafür müssen die Ruten immer wieder um einige senkrecht stehende Stöcke gebogen werden, die das Gerüst bilden. „Es ist anstrengen­d, aber jetzt habe ich, glaube ich, den Dreh raus“, sagt Hanke nach einer Stunde.

Ein paar Meter weiter hinten im Raum arbeitet Günter Schedler konzentrie­rt an einem gezwirbelt­en Deko-Objekt. Er ist bereits geübt im Weidenflec­hten und nicht zum ersten Mal in der Werkstatt. „Das ist für mich ein Ausgleich“, meint der Zahntechni­ker aus Horgau. Birle zeigt ihm, wie er weitermach­en muss, wenn das Grundgerüs­t fertig ist. „Und jetzt neue Weide zwischensc­hieben“, erklärt sie.

Sie habe viele Kunden, die einfach immer mal wieder kämen. Birle gibt mehrere Abendkurse die Woche, die meist schon lange im Voraus ausgebucht sind. „Die Kunden sagen oft, das sei wie Meditation.“

Elisabeth Jakobs hat den ersten Flechtkurs von ihrer Schwester zu Weihnachte­n bekommen. Seitdem habe es sie nicht mehr losgelasse­n. Sie verarbeite­t die Weide gerade zu einem Blumenkorb, ein Geschenk für eine Freundin. „Es ist keine Hexerei, man muss sich einfach konzentrie­ren“, meint sie.

Birle hilft inzwischen schon wieder woanders. „Das ist die Drehund Spiraltech­nik“, sagt sie zu einer Frau, die einen Fackelhalt­er herstellt. Dänische Weide lasse sich besonders gut biegen. Hinter den Fenstern der Werkstatt geht die Sonne vor der idyllische­n Breitenbro­nner Kulisse unter. Cornelia Schmid aus Rammingen erzählt, dass es sich für sie wie Urlaub anfühle. „Man kann den Kopf frei flechten.“

 ?? Fotos: Rebecca Stegmann ?? Günter Schedler aus Horgau arbeitet konzentrie­rt an der Weidendeko für seinen Garten.
Fotos: Rebecca Stegmann Günter Schedler aus Horgau arbeitet konzentrie­rt an der Weidendeko für seinen Garten.
 ??  ?? Luzia Birle im Garten ihrer Weidenwerk­statt in Breitenbro­nn.
Luzia Birle im Garten ihrer Weidenwerk­statt in Breitenbro­nn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany