Mittelschwaebische Nachrichten

Macht sie’s noch einmal?

Angela Merkel lässt offen, ob sie nächstes Jahr wieder als Kanzlerkan­didatin antritt. Was hinter der Mauertakti­k steckt und welche Rolle die CSU in diesem Poker spielt

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Dezember 2014. Horst Seehofer wirkt mit sich im Reinen. Die nächste Bundestags­wahl ist noch weit weg. Aber der CSU-Chef wagt schon mal eine Prognose – und was für eine. Im Gespräch mit Redakteure­n unserer Zeitung gibt er ein klares Ziel aus: „Wir haben die Chance, mit dieser Bundeskanz­lerin 2017 die absolute Mehrheit zu holen.“Wie bitte? Die absolute Mehrheit? Auf unsere Frage, ob das wirklich sein Ernst sei, fragt Seehofer zurück: „Ja, was denn sonst?!“Er lässt keinen Zweifel daran, dass er Angela Merkel für die große Erfolgsgar­antin der Union hält. Und heute? Heute ist nicht einmal mehr klar, ob sie überhaupt wieder antritt.

Die Kanzlerin selbst sagt, sie werde zu gegebener Zeit darüber entscheide­n. Es ist eine typische Merkel-Aussage. Aber sie genügt, um die Gerüchtekü­che anzuheizen. Die erste Theorie geht so: Die mächtigste Frau der Welt wagt sich nicht aus der Deckung, solange sie nicht sicher sein kann, dass die CSU hinter ihr steht. Denn interessan­t ist das schon: Während sich einige prominente CDU-Leute wie die Ministerpr­äsidenten Annegret Kramp-Karrenbaue­r oder Volker Bouffier sofort demonstrat­iv für eine neuerliche Merkel-Kandidatur ausspreche­n, scheint bei der CSU drei Monate vor dem 1. Advent schon die „stade Zeit“angebroche­n zu sein.

Nur hinter vorgehalte­ner Hand spricht man in Bayern über die Frau, die dem ein oder anderen mit ihrem „Wir schaffen das“gehörig auf den Geist geht. Ein offizielle­s Bekenntnis zu Merkel ist von den CSU-Schwergewi­chten kaum zu bekommen. Markus Söder zum Beispiel ist ja normalerwe­ise nicht gerade kamera- oder mikrofonsc­heu. Angesichts der K-Frage wird aber selbst er ungewöhnli­ch wortkarg.

Der bayerische Finanzmini­ster hat in der Flüchtling­spolitik immer wieder klar Stellung gegen den Kurs der Bundesregi­erung bezogen – anders als Manfred Weber. Der Europapoli­tiker ist einer von Söders Ri- valen im Kampf um das SeehoferEr­be. Und einer der wenigen Merkel-Versteher, die es eineinhalb Jahre nach Seehofers Lobeshymne noch in der CSU gibt. „Sie ist unsere Kanzlerin und sie ist eine erfolgreic­he Kanzlerin“, hat Weber erst vor ein paar Wochen im Interview mit unserer Zeitung betont. Momentan will er sich lieber nicht zu Merkel bekennen. Und CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer lässt ausrichten, man werde sich an der Diskussion nicht beteiligen. „Für uns bedeutet K-Frage Konzentrat­ion auf Inhalte und nicht Köpfe.“

Woher kommt diese kollektive Schweigsam­keit? Die Antwort liegt wohl – wie so oft – bei Horst Seehofer. Der alte Stratege lässt sich alle Optionen offen. Zuletzt wollte er nicht einmal ausschließ­en, dass die CSU mit einem eigenen Programm in den Wahlkampf zieht. Warum also nicht auch gleich mit einem eigenen Kanzlerkan­didaten? Wahrschein­lich ist das nicht. Und in Wirklichke­it geht es vor allem darum, den Druck auf die CDU-Chefin in der Flüchtling­spolitik hochzu- halten. Würde sich die bayerische Schwester jetzt schon ohne Not auf Merkel festlegen, hätte Seehofer einen Trumpf weniger auf der Hand. Die aktuelle Debatte bezeichnet­e er gestern Abend als „dämlich“. Kein Wunder. Solange Merkel selbst ihre Zukunft nicht definiert hat, kann die CSU problemlos auf Zeit spielen.

Ende des Jahres könnte damit allerdings Schluss sein. Denn es gibt noch eine zweite Theorie zu Merkels Zurückhalt­ung in der K-Frage: Im Dezember trifft sich die zerrissene CDU in Essen zum Parteitag. Auf dem Programm steht die Wiederwahl der Chefin. In den vergangene­n Jahren waren solche Termine stets Merkel-Festspiele mit honeckerha­ften Mehrheiten gewesen. Diesmal droht der Vorsitzend­en ein mächtiger Dämpfer. Um den zu verhindern, könnte sie diese Wahl zugleich zur Abstimmung über ihre Kanzlerkan­didatur machen. Dann wird es sich der eine oder andere wohl zweimal überlegen, ob er Merkel wirklich die Gefolgscha­ft verweigert und damit die eigene Kandidatin öffentlich schwächt.

 ?? Archivfoto: imago ?? Vor elf Jahren trat Angela Merkel zum ersten Mal an, um Bundeskanz­lerin zu werden. Damals hieß ihr Konkurrent Gerhard Schröder. Ob die CDU-Chefin im kommenden Jahr ein viertes Mal ins Rennen geht, will sie noch nicht sagen.
Archivfoto: imago Vor elf Jahren trat Angela Merkel zum ersten Mal an, um Bundeskanz­lerin zu werden. Damals hieß ihr Konkurrent Gerhard Schröder. Ob die CDU-Chefin im kommenden Jahr ein viertes Mal ins Rennen geht, will sie noch nicht sagen.

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