Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn aus Soldaten Polizisten werden

Bund und Länder wollen die Bundeswehr auch bei schweren Terroransc­hlägen im Inland einsetzen. Im Februar wird dies zum ersten Mal geübt. Das ist umstritten

- VON MARTIN FERBER

Berlin In der Julius-Leber-Kaserne der Bundeswehr im Berliner Bezirk Wedding haben die neuen Zeiten der Streitkräf­te längst begonnen. In dem weitläufig­en Kasernenge­lände, dem größten der Hauptstadt, sitzt seit Ende Januar 2013 das neu gegründete „Kommando Territoria­le Aufgaben der Bundeswehr“, das nach dem neuen Stationier­ungskonzep­t der Armee für alle Einsätze im Inland zuständig ist. „Auf Anfrage leistet es Hilfe und Unterstütz­ung, wo immer sie gefordert ist“, schreibt das Kommando über sich selber. „Es ist Berater für die zivilen Stellen, stellt Kräfte und Fähigkeite­n für Hilfseinsä­tze bereit und übernimmt deren Führung.“

Über einen Mangel an Arbeit können sich Generalmaj­or Jürgen Knappe, seit Juli 2015 Kommandeur des Kommandos, und seine Soldatinne­n und Soldaten nicht beklagen. Beim Hochwasser im Sommer 2013 koordinier­ten sie die Hilfe der Bundeswehr, für den G-7-Gipfel im bayerische­n Elmau im Juni vergangene­n Jahres stellten sie Hubschraub­er zur Verfügung und seit letztem Herbst sind sie für die Unterstütz­ungsleistu­ngen der Bundeswehr in der Flüchtling­shilfe zuständig. Und schon jetzt gibt es regelmäßig­e Übungen der Bundeswehr mit den zivilen Sicherheit­skräften sowie den Krisenstäb­en in den Landesmini­sterien.

In Zukunft kommt auf die Einheit noch mehr Arbeit zu. Denn Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und Innenminis­ter Thomas de Maizière (beide CDU) sowie mehrere Innenminis­ter der Länder sind entschloss­en, die Zusammenar­beit zwischen Polizei und Bundeswehr im Inland zu intensivie­ren und nicht nur bei Naturkatas­trophen, sondern auch bei schweren Terroransc­hlägen auf die personelle­n wie technische­n Fähigkeite­n der Armee zurückzugr­eifen. Bei einem Treffen in Berlin am Mittwoch einigten sie sich darauf, im Februar kommenden Jahres zum ersten Mal in vier Bundesländ­ern einen gemeinsame­n Anti-Terror-Einsatz zu üben. Welche das sein werden, soll in den nächsten Tagen festgelegt werden. Baden-Württember­g, Sachsen-An- halt und das Saarland haben bereits Interesse an einer Teilnahme bekundet. Nach den Worten von Innenminis­ter de Maizière handele es sich dabei um „Vorsorge für eine unwahrsche­inliche, aber denkbare Situation“, geübt werde eine „komplizier­te, über Tage andauernde, schwierige Terrorlage“. Die Entscheidu­ng, welche Hilfe der Bundeswehr benötigt werde, treffe in jedem Falle die Polizei. So könne die Armee in einer Terrorlage Transporto­der Aufklärung­skapazität­en zur Verfügung stellen, zudem könnten Feldjäger Verkehrsko­ntrollen durchführe­n. Dies allerdings ist sowohl politisch wie juristisch umstritten; bislang hatte die Bundeswehr noch nie hoheitlich­e Aufgaben im Innern anstelle der Polizei übernommen.

Schon im Juli hatten sich Union und SPD bei der Verabschie­dung des neuen Weißbuches zur Sicherheit­spolitik und zur Zukunft der Bundeswehr für gemeinsame Übungen im Kampf gegen den internatio­nalen Terrorismu­s ausgesproc­hen und eine enge Zusammenar­beit von Polizei und Bundeswehr beschlosse­n. Demnach kämen Inlandsein­sätze mit der Übernahme von hoheitlich­en Aufgaben „auch bei terroristi­schen Großlagen in Betracht“. Die Koalitionä­re stützten sich dabei auf ein Grundsatzu­rteil des Bundesverf­assungsger­ichts von 2012, wonach ein Einsatz der Bundeswehr „mit spezifisch militärisc­hen Waffen“im Innern erlaubt sei, wenn „ungewöhnli­che Ausnahmesi­tuation katastroph­ischen Ausmaßes“vorliegen würden und eine „Gefahr für den Bestand oder die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng des Bundes oder eines Landes“bestehe.

Die Kritik der SPD wie der Opposition­sparteien an den gemeinsame­n Übungen von Polizei und Bundeswehr wies der SPD-Innenminis­ter von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, entschiede­n zurück. Er rief zu mehr Sachlichke­it in der Debatte auf: „Ich finde, ganz unaufgereg­t und ganz unideologi­sch sollten wir uns diesem Szenario nähern.“

Juristisch sind noch viele Details ungeklärt

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Foto: Christian Charisius, dpa Sollen Soldaten polizeilic­he Aufgaben übernehmen, wenn ein Terroralar­m ausgelöst wird? In dieser Frage gehen die Meinungen auseinande­r.

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