Mittelschwaebische Nachrichten
Die Frau, die Apple schwer zusetzt
Margrethe Vestager verdonnert Konzerne zu Milliarden-Strafen. Die dreifache Mutter schreckt fast nichts
Brüssel „Diese Frau ist der Hammer.“Diesen Satz hört man immer wieder. Brüssels politische Klasse ist sich selten so einig wie im Urteil über Margrethe Vestager, Europas Kommissarin für Wettbewerbsfragen. Die 48-jährige Dänin, verheiratete Mutter von drei Kindern und Vorbild einer populären TV-Polit-Serie („Borgen“) in ihrer Heimat, räumt mit einer Konsequenz den Markt der Großkonzerne auf, die sogar die Kritiker der Juncker-Kommission zu Lobeshymnen hinreißt. Amazon, Google, Starbucks, Fiat/Chrysler, Gazprom, Facebook und jetzt Apple – wenn der Verdacht der Wettbewerbsverzerrung auftaucht, ist sie zur Stelle.
Gegen nicht weniger als 24 EUStaaten ermittelt die Sozialdemokratin von der Partei „Det Radikale Venstre“(Das radikale Fenster), die ihr Ururgroßvater gegründet hatte, wegen des Verdachts unfairer Steuerabsprachen. Wie jetzt im Fall des iPhoneKonzerns mit dem angebissenen Apfel: „Wenn mein Steuersatz auf 0,005 Prozent sinken würde, hätte ich das Gefühl, dass ich einen zweiten Blick auf meine Steuerrechnung werfen sollte“, sagte sie, als sie Apple zu einer Rückerstattung von 13 Milliarden Euro verdonnerte. „Wenn ich eine Google-Suche starte, erwarte ich das beste Ergebnis. Aber nicht das Ergebnis, das Google für das beste hält“, erklärte sie einmal auf die Frage, was sie antreibe. Vestager stammt aus dem Kopenhagener Ortsteil Glostrup und hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich. Mit 20 wurde die Wirtschaftswissenschaftlerin in den Parteivorstand gewählt. Mit 29 übernahm sie den ersten Job als Ministerin. Als sie 2014 das Kopenhagener Innenministerium Richtung Brüssel verließ, hieß es in ihrer dänischen Heimat, die „heimliche Regierungschefin“sei gegangen. Kaum war sie bei der EU im zehnten Stock des Berlaymont, in dem die Kommission ihren Sitz hat, angekommen, nannte man sie die „Eiserne Lady“. Sie fällt auf, nicht nur wegen ihrer Kurzhaar-Frisur. Wenn die Juncker-Mannschaft zur Kommissionssitzung zusammenkommt, kann es sein, das Vestager die Beratung mit dem Strickzeug in der Hand verfolgt: „Dabei kann ich besser denken.“Die Chefs der Weltkonzerne beißen sich an ihr die Zähne aus: Google-Chef Eric Schmidt musste, nachdem er um einen Termin zum laufenden Wettbewerbsverfahren gebeten hatte, wochenlang warten, ehe er antreten durfte. „Zu meinen Regeln gehört, keine Lobbyisten zu treffen“, sagte Vestager. „Ich treffe Vorstandsvorsitzende. Sie haben die Verantwortung, nur sie können ein Unternehmen verändern.“
Wie eigensinnig die Dänin ist, verrät ihr Büro. Da steht eine Stinkefinger-Skulptur neben einer BismarckBüste, dazwischen ausgewaschene Teppiche und dänische Designerstühle. Jedes Teil hat sie ganz bewusst ausgesucht. Vestager ist eben anders. Zu Hause warten Ehemann Thomas Jensen, ein Lehrer, die drei Töchter Maria, Rebecca und Ella sowie Golden Retriever Karlo auf sie. Bei ihm, so ließ sie mal durchblicken, handelt es sich um ein Familienmitglied mit besonders hohem politischen Sachverstand. Eine wichtige Rede trage sie manchmal ihrem Hund vor, ehe sie sich damit ans Mikrofon wage. „Eloquent und charmant“nennen ihre Mitarbeiter sie. „Und machtbewusst.“Eine gute Mischung für das Amt.