Mittelschwaebische Nachrichten
Das Wunder geschieht. Leider?
Aus einem unverhofft erfüllten Kinderwunsch wird ein existenzieller Konflikt – und damit ein fesselndes Drama mit drei herausragenden Schauspielern
Als Tom Sherbourne (Michael Fassbender) 1918 von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges nach Australien zurückkehrt, erscheint ihm der Posten als Leuchtturmwärter auf einer einsamen Insel genau richtig, um das Grauen der Westfront zu vergessen.
Janus-Rock heißt das karge, felsige (und fiktive) Eiland, das auf der Grenze zwischen indischem und pazifischem Ozean liegt. Es ist ein Ort am Ende der Welt, an dem sich Tom von der Menschheit und ihren Greueltaten abzuwenden versucht. Aber bevor er das Festland verlässt, trifft er Isabel (Alicia Vikander), die einzige Tochter des örtlichen Schulmeisters, der zwei Söhne im Krieg verloren hat. Ein halbes Jahr später heiraten die beiden und Isabel kommt mit auf den von Stürmen umtobten Außenposten.
Ein Haus, ein Leuchtturm, zwei Menschen, die sich lieben, und um sie herum die wilde See. Aus diesem Grundsetting heraus ließe sich ein klaustrophobischer Thriller im Stile von „Shining“oder eine Romanze im Nicholas-Sparks-Format entwickeln. Aber Derek Cianfrance („Blue Velvet“), der hier den Roman von M.L. Stedman adaptiert, hat sich für ein großformatiges Melodrama entschieden, das er vor eindrucksvoller Naturkulisse äußerst effizient in Szene setzt.
Das junge Paar möchte eine Familie gründen, aber nach zwei dramatischen Fehlgeburten scheint der Kinderwunsch in weite Ferne zu rücken, bis die Flut eines Tages ein Ruderboot an den Strand spült. Der Mann darin ist tot, aber das Baby neben ihm hat überlebt. Während Isabel in dem gestrandeten Kind, das sie in ihre Arme schließt, einen Wink des Schicksals sieht, will Tom den Vorfall melden. Aber der pflichtbewusste Leuchtturmwärter ist machtlos gegenüber der mütterlichen Euphorie seiner Frau. So gibt er wider besseren Wissens nach und verheimlicht die Angelegenheit.
Vier Jahre währt das unbeschwerte Familienglück, bis Tom bei einem Besuch auf dem Festland von der Tragödie erfährt, auf der jenes Glück gründet: Der deutsche Vater des Babys wurde von patriotisch gesinnten Bürgern aus dem Ort getrieben, flüchtete mit seinem Kind auf ein Ruderboot, trieb hinaus aufs Meer und kam nie zurück. Seine Frau Hannah (Rachel Weisz) ist über den Verlust nie hinweg gekommen. Tom lässt der Witwe eine Nachricht zukommen, dass ihr Kind lebt und geliebt wird. Es dauert nicht lange, bis die polizeilichen Ermittlungen auf die Insel führen.
Es ist ein Tragödie von griechischer Wucht und Größe, die Cianfrance mit „The Light Between Oceans“auf der Kinoleinwand orchestriert. Vor allem in der ersten Filmhälfte beweist er sich als Meister des fokussierten Erzählens, der sich viel Zeit nimmt, die Figuren und aufkommenden Konflikte präzise zu entwickeln. Dabei geht es weniger um kühne Plotwendungen und dramatische Überraschungseffekte. So langsam, wie sich das Versorgungsschiff auf die Insel zubewegt, sieht man auch die schicksalhaften Entwicklungen nahen. Dennoch verfolgt man deren Wege mit zunehmendem Interesse und gerade darin zeigt sich die Kunst des geduldigen Spannungsaufbaus.
Darüber hinaus steht die Intensität des Filmes auf zwei verlässlichen Säulen: Zum einen ist dies das herausragende Schauspieler-Triumvirat. Michael Fassbender lässt unter der beherrschten Oberfläche mit feinem Minimalismus den ganzen Kosmos widerstrebender Gefühle und moralischer Entscheidungsnöte durchscheinen. Ihm gegenüber steht Alicia Vikander, die die Emotionalität, aber auch die Härte ihrer Figur vehement nach außen trägt. Und schließlich Rachel Weisz, die sich in der Rolle der Witwe langsam aus der Dunkelheit von Trauer und Verlust wieder ins Leben vortastet. Jede dieser drei Vorstellungen wäre Grund genug für den Erwerb einer Kinokarte. Zusammen bilden Fassbender, Vikander und Weisz ein schauspielerisches Energiezentrum, dem man sich nicht entziehen kann.
Die zweite Säule gründet auf der spektakulären, maritimen Naturkulisse, die von grollenden Sturmfluten bis zu lieblichen Sonnenuntergängen die ganze Palette der verhandelten Emotionen spiegelt und von Kameramann Adam Arkapaw („Macbeth“) expressiv in Szene gesetzt wird. Großes Kino ohne Digital-3D-Schnick-Schnack, das die richtige Balance zwischen kraftvollen Figuren und beeindruckenden Bildern findet. ****
Start in Augsburg, Kaufbeuren, Landsberg