Mittelschwaebische Nachrichten

Von der Schulbank vor die Klasse

Beruf Früher wollte K!ar.Texterin Tabea Bundeskanz­lerin werden – oder Schauspiel­erin. Jetzt plant sie etwas anderes

- VON TABEA BECKER

Krumbach Als Kind wird man oft gefragt, was man später einmal werden möchte. Mir sind dann immer Berufe eingefalle­n wie Bundeskanz­lerin, Wissenscha­ftlerin oder Schauspiel­erin – aber niemals Lehrerin. Wer wie ich gerne in die Schule gegangen ist, kennt das Gefühl, wenn man direkt nach dem Schulabsch­luss da steht und sich erst einmal ziemlich verloren fühlt. Natürlich, man ist zu Berufsbild­ungsmessen gegangen, hat die ein oder andere Broschüre gelesen und sich Vorträge angehört. Aber so richtig wissen, was man denn nun wird, ist noch einmal eine ganz andere Sache. Inzwischen wusste ich nun etwas genauer, was hinter meinen Kindheitst­raumberufe­n steckte. Bundeskanz­lerin war leider kein Beruf, für den man etwas Bestimmtes studieren oder eine Ausbildung machen könnte. Um Schauspiel­erin zu werden, musste ich mir eingestehe­n, hatte ich leider zu wenig Talent. Und die Idee mit der Wissenscha­ftlerin erschien mir nicht mehr als ansprechen­d, da ich viel zu gerne in Gesellscha­ft bin, um mich tagelang in einem Labor aufzuhalte­n und Messungen durchzufüh­ren.

Ziemlich ziellos hatte ich mich im vergangene­n Jahr bei meinen Freunden und Bekannten umgehört. Eine erzählte mir von ihrem Studium für Grundschul­lehramt. Das war der Moment, als die Idee entstand, Lehrerin zu werden.

Es gibt nicht viele sichere Berufe, in denen man kreativ sein kann und mit Menschen zu tun hat. Als Grafik Designer oder Fotograf arbeitet man meistens selbststän­dig. Wenn die Auftragsla­ge nicht so gut ist, kommt man schnell in finanziell­e Schwierigk­eiten. Sichere Jobs findet man angeblich vor allem in der Verwaltung und in diversen Ämtern – doch auch dort wollte ich nicht hin.

Der nächste Schritt war für mich dann, ein Praktikum zu machen. Glückliche­rweise ist ein sogenannte­s Orientieru­ngspraktik­um für alle angehenden Lehramtsst­udenten Pflicht, und das noch vor dem zweiten Semester. Drei Wochen an einer Schule, noch nicht mal ein Jahr nachdem man eine Schule als Schülerin verlassen hatte, hörten sich nach einer guten Möglichkei­t an, herauszufi­nden, ob ich für den Beruf Lehrer geeignet bin. Der Wurf ins kalte Wasser sozusagen. Ich entschied mich dafür, an zwei verschiede­ne Schulen zu gehen, nicht jedoch an die, an der ich mein Abitur gemacht hatte. Das hätte sich sehr wahrschein­lich wieder nach Schüler-Dasein angefühlt – und ich wollte ja Lehrer-Sein schnuppern.

Das Gefühl, wenn man am ersten Tag in diese unbekannte Schule geht. Das Gefühl, wenn man nun nicht mehr als Schüler durch die Gänge läuft. Das Gefühl, wenn man im Lehrerzimm­er sitzen darf. Am Anfang fühlt sich das jedenfalls gut an.

In der ersten Zeit saß ich hinten im Klassenzim­mer, lauschte den Erklärunge­n über Bruch- und Prozentrec­hnen oder über die neue Zeitform im Englischen. Es fühlte sich wieder sehr bekannt an, wie eine Zeitreise zurück in die eigene Schulzeit – Gedanken daran inklusive.

Was haben meine Lieblingsl­ehrer gemacht? Wie bin ich erfolgreic­h darin, Wissen zu vermitteln? Wie schaffe ich es, von den Schülern respektier­t zu werden?

Und irgendwo mitten in diesem Gedankench­aos fand ich Gefallen an der Idee, zu unterricht­en.

Es kam der Tag, an dem ich selbst vor einer Klasse stehen durfte. Ich hatte mich vorbereite­t, mir Notizen gemacht. Ich hatte das Glück, dass diese Klasse sehr nett war und mich sofort akzeptiert­e. Jeder weiß aus seiner eigenen Schulzeit, dass es auch ganz andere Fälle gibt.

Nach dem Praktikum kann ich nicht mehr und nicht weniger dazu sagen, als dass es spannend ist. Es ist spannend herauszufi­nden, wie man schwierige Dinge erklärt, sodass sie jeder versteht. Mir ist klar geworden, dass es wirklich schwierige­r ist, etwas zu erklären als es nur selbst zu verstehen. Aber gerade das ist für mich der Reiz daran. Es ist spannend herauszufi­nden, wie man die Aufmerksam­keit der Schüler gewinnt ohne bei der Wissensver­mittlung etwas einbüßen zu müssen.

Ich ahnte nicht, dass man vor der Klasse so gut wie alles mitbekommt: die geflüstert­en Gespräche, die teils gelangweil­ten Blicke, die heimlich weitergebe­benen Zettel. Ich ahnte aber auch nicht, dass man Kinder in so kurzer Zeit in sein Herz schließen kann.

Mein Praktikum hat mir gezeigt, dass Lehrer sein viel Mut erfordert – wie als Schauspiel­erin vor einem großen Publikum. Dass Lehrer sein etwas ist, das man nicht vollständi­g beigebrach­t bekommen kann, sondern das man wohl irgendwann einmal wird – wie Bundeskanz­lerin. Und dass Lehrer sein bedeutet, Neues zu entdecken und zu erforschen – wie als Wissenscha­ftlerin.

Wer sich wie ich am Ende der Schulzeit und zu Beginn einer wie auch immer gearteten Zukunft befindet, der kann sich ruhig einmal wieder mit seinen Kindheitst­räumen befassen. Denn oftmals findet sich in den verstaubte­n Erinnerung­en der Funken, den es braucht, um eine gute Idee davon zu bekommen, was man denn jetzt genau werden möchte.

 ?? Symbolfoto: Sebastian Kahnert/dpa ?? Kreativ, aber doch sicher: So sieht Tabea Becker ihren Berufswuns­ch. Ob Lehrerin wirklich das richtige für sie ist, hat die Abiturient­in in einem Praktikum getestet.
Symbolfoto: Sebastian Kahnert/dpa Kreativ, aber doch sicher: So sieht Tabea Becker ihren Berufswuns­ch. Ob Lehrerin wirklich das richtige für sie ist, hat die Abiturient­in in einem Praktikum getestet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany