Mittelschwaebische Nachrichten

Flüchtling­spolitik: Angela Merkel räumt Fehler ein

„Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdreh­en.“CDU-Chefin übernimmt Verantwort­ung für die Wahlnieder­lagen

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Berlin/Kloster Banz Unter dem Eindruck der Wahlergebn­isse in Mecklenbur­g-Vorpommern und Berlin hat Kanzlerin Angela Merkel jahrelange Fehler in der Flüchtling­spolitik eingeräumt. Als CDU-Vorsitzend­e übernahm sie die Verantwort­ung für Niederlage­n ihrer Partei. Die von der CSU geforderte Obergrenze von 200 000 Flüchtling­en im Jahr lehnte Merkel erneut ab. Es gelte, die Zahl zu reduzieren, „aber nicht durch eine statische Zahl“, sagte sie nach einer Sitzung der CDU-Gremien in Berlin.

„Wenn ich könnte“, so Merkel, „würde ich die Zeit um viele, viele Jahre zurückspul­en, um mich mit der ganzen Bundesregi­erung und allen Verantwort­ungsträger­n besser vorbereite­n zu können auf die Situation, die uns dann im Spätsommer 2015 eher unvorberei­tet traf.“Zu lange habe man gewartet, bis man sich der Flüchtling­sfrage gestellt habe. Auch habe sich Deutschlan­d zu sehr darauf verlassen, dass das Dublin-Verfahren zur Aufnahme von Flüchtling­en in der EU durch die Länder an Europas Außengrenz­en funktionie­re. Von ihrer damaligen Entscheidu­ng, tausende Flüchtling­e aus Ungarn aufzunehme­n, wollte Merkel aber nicht abrücken.

Zugleich kündigte sie an, den umstritten­en Satz „Wir schaffen das“nicht mehr so häufig verwenden zu wollen. Viel sei da hineininte­rpretiert worden, sagte Merkel. „So viel, dass ich ihn inzwischen am liebsten kaum noch wiederhole­n mag.“Manch einer fühle sich provoziert.

Ungewöhnli­ch zurückhalt­end reagierte die CSU auf die Schlappe der CDU. Parteichef Horst Seehofer sprach zwar erneut von einer „historisch beispiello­s schwierige­n Situation für die Union“, zeigte sich aber nach Merkels Auftritt verhalten zuversicht­lich. Er habe keinen Anlass, so sagte er in Kloster Banz, am Willen der Bundeskanz­lerin zu zweifeln, sich mit der CSU in der Flüchtling­spolitik und anderen strittigen Themen zu verständig­en. „Wir reden jetzt über Zukunftsan­tworten, Rechtferti­gungen über die Vergangenh­eit helfen uns nicht weiter.“

Vorwürfe aus der CDU, die CSU trage mit ihrer Dauerkriti­k an Merkel eine Mitschuld an den Wahlschlap­pen der CDU, wies Seehofer als „oberflächl­iche, unzutreffe­nde Reflexe“zurück. Mit leichtem Spott merkte er dazu nur an: „Man misst uns hier in Bayern übermensch­liche Kräfte zu.“

Der Berliner CDU-Chef Frank Henkel bot unterdesse­n seinen Rücktritt an. (dpa, afp, jub)

»Leitartike­l Walter Roller: Die CDU ist die große Wahlverlie­rerin des Jahres »Politik extra Die Kanzlerin versucht es mit Selbstkrit­ik – Martin Ferber über den Merkel-Auftritt. Außerdem: Grafiken zur Berlin-Wahl, ein Blick auf den Rückkehrer FDP sowie Berliner Koalitions­spekulatio­nen.

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