Mittelschwaebische Nachrichten

Scheuer und der „schlimme Senegalese“

Das Verhältnis zwischen Kirchen und CSU ist angespannt­er denn je. Die Reaktionen auf einen flüchtling­skritische­n Satz des Generalsek­retärs offenbaren, wie tief die Kluft inzwischen ist

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer ist zurzeit ein gefragter Mann. Allerdings nicht aus Gründen, die ihm gefallen dürften. Denn der Unmut über ihn, vor allem in Kirchenkre­isen, ist groß. Seit seinem Auftritt im Regensburg­er Presseclub am vergangene­n Donnerstag hat sich der Unmut sogar von Tag zu Tag weiter verstärkt.

Scheuer sagte vor Journalist­en: „Das Schlimmste ist ein fußballspi­elender ministrier­ender Senegalese. Der ist drei Jahre in Deutschlan­d – als Wirtschaft­sflüchtlin­g –, den kriegen wir nie wieder los.“

Nun fühlt er sich missversta­nden; gestern wollte er sich nicht mehr dazu äußern. Am Sonntag noch bezeichnet­e er den Satz als „eine bewusste Zuspitzung von mir in einem längeren Gesprächsb­eitrag“. Es sei, im Zusammenha­ng, um die Schwierigk­eit gegangen, abgelehnte Asylbewerb­er „nach einem abgeschlos­senen, rechtsstaa­tlichen Verfahren wieder zurückzufü­hren, wenn diese sich über einen längeren Zeitraum hier aufhalten“.

Ob Missverstä­ndnis, „bewusste Zuspitzung“, Gedankenlo­sigkeit oder Entgleisun­g – der Schaden für die CSU ist angerichte­t. Auf allen Ebenen der katholisch­en – und evangelisc­h-lutherisch­en – Kirche wird Scheuer mit unmissvers­tändlichen Worten bedacht.

Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, etwa reagierte „verärgert“. Zum Beginn der Herbstvoll­versammlun­g der katholisch­en Bischöfe in Fulda kritisiert­e er gestern Äußerungen, die nur darauf abzielten, wie Deutschlan­d Flüchtling­e loswerden könne. „Diese Tonlage ist nicht hilfreich für die Integratio­n hunderttau­sender Flüchtling­e.“Heinrich BedfordStr­ohm, der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d und bayerische Landesbisc­hof, wandte sich direkt an Scheuer. Ihn habe dessen Aussage „schockiert“. So rede man nicht über Menschen. „Solche Sätze sind Futter für Rechtspopu­listen.“

Auch im Bistum Augsburg herrscht Verärgerun­g. Diakon Ralf Eger, der Flüchtling­sbeauftrag­te des katholisch­en Bistums, zeigte sich befremdet. Er stelle, sagte er, einen „gewissen Unmut“bei Menschen fest, die sich in der Asyl- und Integratio­nsarbeit engagierte­n. Die- fühlten sich von den Aussagen in politische­n Debatten getroffen, „weil für sie ,der Senegalese‘ eben nicht das Schlimmste ist, sondern Namen, Gesicht und Schicksal hat“.

Ein Priester aus dem Bistum, der nicht mit seinem Namen genannt werden will, meinte: „Mir wäre ein ministrier­ender CSU-Generalsek­retär tausend Mal lieber als einer, der blöde Sprüche von sich gibt.“

Es sind Äußerungen, die das seit geraumer Zeit überaus angespannt­e Verhältnis der Kirchen zur CSU offenbaren – und von einem neuen Tiefpunkt künden. So appelliert­en bereits Ende vergangene­n Jahres 45 katholisch­e bayerische Ordensober­e in einem offenen Brief an CSU-Ministerpr­äsident Horst Seehofer, „von einer Rhetorik Abstand zu nehmen, die Geflüchtet­e in ein zwielichti­ges Licht stellt“.

Längst geht es nicht mehr um die Wahl der Worte. Es geht um Grundsätzl­iches. Gegen eine Ober- grenze für Flüchtling­e haben sich beide großen Kirchen schon mehrfach ausgesproc­hen. Erst vor wenigen Tagen stellte sich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegen die Forderung der CSU, Zuwanderer­n aus dem christlich-abendländi­schen Kulturkrei­s den Vorzug zu geben. Dann wurde das Scheuer-Zitat publik. Und hochrangig­e Kirchenver­treter gehen erneut auf Distanz zu der Partei mit dem C für „Christlich“in ihrem Namen.

Die Aufregung in Kirchenkre­isen ist bundesweit riesig, Scheuer Gesprächst­hema – weshalb der frühere CSU-Chef Theo Waigel gestern auch eine Versachlic­hung der Diskussion anmahnte; jedem könne einmal etwas herausruts­chen. Zugleich haben er wie sein Parteifreu­nd Alois Glück, der einst Präsident des Bayerische­n Landtages war, erkannt, dass „kirchliche Wähler“durch derartige Beiträge verprellt werden könnten. Glück bese richtete im Gespräch mit unserer Zeitung, er höre immer öfter von in der Flüchtling­shilfe engagierte­n Katholiken: Sie wüssten nicht, wem sie bei der nächsten Landtagswa­hl in Bayern ihre Stimme geben sollten.

Noch deutlicher formuliert­e es der Provinzial­obere der deutschen Jesuiten, Pater Stefan Kiechle, gegenüber unserer Zeitung. „Der Versuch der CSU, am rechten Rand zu fischen, wird nicht aufgehen. Die CSU wird in Bayern Wähler verlieren. Denn wer Merkels Flüchtling­spolitik in Bayern unterstütz­en will, wird wohl nicht die CSU wählen, sondern vielleicht Rot oder Grün.“Den Satz Scheuers nannte er „ausgrenzen­d und abwertend“, er sei „nicht tolerierba­r“.

Die Christlich-Soziale Union hat aus Sicht von Christen also ein Problem, das der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann mit der Frage auf den Punkt bringt: „Wo bleibt hier noch das Christlich­e?“

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Foto: dpa CSU-General Scheuer muss sich heftige Kritik gefallen lassen. Er hatte gesagt: „Das Schlimmste ist ein fußballspi­elender ministrier­ender Senegalese. Der ist drei Jahre in Deutschlan­d – als Wirtschaft­sflüchtlin­g –, den kriegen wir nie wieder los.“

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