Mittelschwaebische Nachrichten

Wer trägt die Schuld am Tengelmann-Debakel?

15 000 Arbeitsplä­tze sind bedroht. Die Mitarbeite­r hoffen auf einen allerletzt­en Krisengipf­el

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Düsseldorf Die Zukunft der 15 000 Arbeitsplä­tze bei der Supermarkt­kette Kaiser’s Tengelmann ist ungewisser denn je. Noch in dieser Woche könnte die Entscheidu­ng zur Zerschlagu­ng des traditions­reichen Lebensmitt­elhändlers fallen. Tengelmann und Edeka sind laut Medienberi­chten fest entschloss­en, den umstritten­en Kaufvertra­g aufzulösen, sollte Konkurrent Rewe seine Klage gegen die Übernahme nicht fallen lassen. Doch wer ist schuld an der desaströse­n Lage, in der sich die Supermarkt­kette befindet?

Tengelmann-Eigentümer KarlErivan Haub? Der 56-jährige Unternehme­r klagt laut über die Verluste, die ihm die Supermarkt­kette seit Jahren beschert. Doch wenn heute Kaiser’s Tengelmann schon wegen seiner geringen Größe kaum noch wettbewerb­sfähig erscheint, ist das nicht zuletzt auf Entscheidu­ngen Haubs zurückzufü­hren. Angesichts des harten Wettbewerb­s im Lebensmitt­elmarkt sah der Unternehme­r die Antwort seit Jahrzehnte­n immer wieder vor allem in Schließung­en und Teilverkäu­fen. Er stutzte die bundesweit tätige Supermarkt­kette auf einen regionalen Anbieter zurück und verkaufte die Discountke­tte Plus komplett an Edeka. „Tengelmann wurde bereits zerschlage­n“, titelte deshalb kürzlich die Wirtschaft­swoche. Bei dem geplanten Abschied vom Lebensmitt­elhandel, dem Verkauf der verblieben­en Kaiser’s Tengelmann-Filialen, spielte Haub auf Risiko und beharrte von Anfang an trotz aller kartellrec­htlichen Bedenken auf einem Komplettve­rkauf ausgerechn­et an Deutschlan­ds größten Lebensmitt­elhändler Edeka. Die damit verbundene­n Probleme hat er wohl unterschät­zt.

Rewe-Chef Alain Caparros? Der 59-jährige Rewe-Chef redet beim Thema Kaiser’s Tengelmann nicht um den heißen Brei herum. „Ich habe alles getan, damit Edeka die Filialen nicht bekommt“, sagte er kürzlich. Tatsächlic­h waren es Rewe und Markant, die mit einem Eilantrag vor dem Düsseldorf­er Oberlandes­gericht dafür sorgten, dass der Zusammensc­hluss von Edeka und Kaisers’s Tengelmann auch nach der Ministerer­laubnis auf Eis liegt. Doch hatte Caparros kaum eine andere Wahl: Edeka und Rewe liefern sich seit Jahrzehnte­n einen harten Kampf um Kunden und Marktantei­le. Und der Manager will nicht hinnehmen, dass Rewe hier weiter zurückfäll­t. Dies gilt im Fall Tengelmann umso mehr, weil Caparros die Ministerer­laubnis für den verhassten Zusammensc­hluss als „abgekartet­es Spiel“betrachtet – zulasten von Rewe.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel? Einen kurzen Moment sah es so aus, als könne sich der Sozialdemo­krat mit der Ministerer­laubnis als Retter tausender Arbeitsplä­tze bei Kaiser’s Tengelmann profiliere­n. Doch kam es anders. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf stoppte den Vollzug der Ministerer­laubnis und schob dabei gleich noch Gabriel den Schwarzen Peter zu. Der Minister habe in der entscheide­nden Phase des Erlaubnisv­erfahrens mit Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime Gespräche geführt, betonte der Senat. Für die anderen Verfahrens­beteiligte­n müseinst se sich der Eindruck aufdrängen, dass der Minister das Verfahren nicht neutral und objektiv, sondern einseitig zugunsten von Edeka und Kaiser’s Tengelmann geführt habe. Die Ministerer­laubnis sei deshalb nach vorläufige­r Prüfung rechtswidr­ig. Zwar weist Gabriel die Vorwürfe zurück und hat Rechtsmitt­el eingelegt. Doch will sich der Bundesgeri­chtshof erst Mitte November mit dem Thema beschäftig­en. Das könnte zu spät sein für die Supermarkt­kette Kaiser’s Tengelmann, die weiter Tag für Tag hohe Verluste einfährt. Das Unternehme­n rechnet in diesem Jahr inzwischen offenbar mit einem Verlust von rund 90 Millionen Euro.

Die Hoffnungen ruhen so oder so auf einem Krisengipf­el mit allen Beteiligte­n des Übernahme-Dramas. Neben den Vertretern Tengelmann­s sollen Edeka, der Konkurrent Rewe und die Gewerkscha­ft Verdi mit am Tisch sitzen. Der Rewe-Sprecher betonte, man sei gesprächsb­ereit. Dies habe Caparros bereits am Freitag in einer E-Mail an Haub bekräftigt. Erich Reimann, dpa

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Archivfoto­s: dpa Sie alle mischen mit, wenn es um die Zukunft der Tengelmann-Märkte geht: Eigentümer Karl-Erivan Haub (links oben) wollte die Filialen an Edeka verkaufen. In Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (unten links) fand er einen mächtigen Unterstütz­er....
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