Mittelschwaebische Nachrichten

Spuren der Eiszeitmen­schen

In Höhlen auf der Schwäbisch­en Alb finden Forscher immer wieder Hinweise auf unsere Vorfahren. Die Entdeckung­en sind einmalig. Nun soll die Welt auf sie aufmerksam werden

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Schelkling­en Der rund drei Meter hohe Eingang zur Höhle Hohler Fels wirkt wie ein Tor zu einer anderen Welt. Hinter dem Gitter, drinnen in der turnhallen­großen Felshöhle, dampft der Atem, es hat gerade einmal zehn Grad. Hier, rund 20 Kilometer westlich von Ulm auf der Schwäbisch­en Alb, suchten vor rund 40 000 Jahren die Jäger und Sammler der Eiszeit Unterschlu­pf. Die Menschen damals wanderten aus Afrika über den Nahen Osten die Donau entlang ins heutige BadenWürtt­emberg.

In der Schwäbisch­en Alb haben Archäologe­n in den vergangene­n 50 Jahren 2000 Höhlen gefunden, viele dienten den Wanderern als Zufluchtso­rt. Rund 200 Millionen Jahre ist es her, dass das abziehende Jurameer, das ganz Süddeutsch­land bedeckte, die Gänge auswusch. Nun möchte das Land Baden-Württember­g, dass sechs der Höhlen im Lone- und Achtal von der Unesco als Weltkultur­erbe geschützt werden. Darunter ist auch die Höhle Hohler Fels. Dort fand ein Forschungs­team um den Tübinger Archäologe­n Nicholas Conrad Anfang der 2000er Jahre Zeugnisse der Eiszeitmen­schen: geschnitzt­e Kunstwerke aus Mammutelfe­nbein – etwa einen Pferdekopf oder eine menschenäh­nliche Gestalt mit Löwenkopf. Unter den Funden war auch die „Venus vom Hohlen Fels“. Die bräunliche Figur ist rund 35 000 Jahre alt und stellt detaillier­t eine Frau dar, mit Armen, Beinen und Brüsten, sogar schemenhaf­te Hinweise auf Kleidung sind zu erkennen. Die Venus gilt als die weltweit älteste Darstellun­g eines Menschen.

Die Ausgrabung­en im Hohlen Fels haben eine lange Tradition: Bereits Anfang des 19. Jahrhunder­ts wurde dort geforscht. Damals fanden Wissenscha­ftler Knochen von Bären, Mammuts und Wildpferde­n. Seit Mitte der 1990er Jahre kommt Conrad mit Studenten jedes Jahr in die Region und sucht nach Schätzen im Hohlen Fels. 2008 fanden sie eine rund 20 Zentimeter lange Elfenbein-Flöte. Nach Ansicht der Archäologe­n ist das ein Beleg, dass unsere Vorfahren nicht nur bildende Künstler waren, sondern bereits Musik machten.

Wegen dieser Funde stehen die Chancen gut, dass der Hohle Fels und die anderen fünf Höhlen ins Weltkultur­erbe aufgenomme­n werden. Dazu kommt, dass die Kultusmini­sterkonfer­enz die Eiszeithöh­len schon 2014 auf Platz eins der deutschen Welterbe-Bewerbunge­n setzte. Damit haben sie etwa vor dem ebenfalls nominierte­n Naumburger Dom Vorrang. Eine schnelle Entscheidu­ng der Unesco ist aber nicht zu erwarten. Denn die zahlreiche­n weltweiten Bewerbunge­n müssen geprüft und vor Ort untersucht werden. Im Sommer 2017 soll die Entscheidu­ng der Unesco-Kommission wohl fallen.

Würden die Höhlen aufgenomme­n, brächte das der ganzen Region einen Aufschwung, hofft Reiner Blumentrit­t, Leiter des für den Hohlen Fels zuständige­n Museums in Schelkling­en. Derzeit kämen jährlich rund 9000 Besucher, sagt er. Dass mit dem Welterbest­atus mehr Menschen kämen, ist seiner Meinung nach sicher. Vor allem Gäste aus dem Ausland wollen sie auf die Alb locken und so auch die Zahl der Übernachtu­ngsgäste steigern. Doch erst mal möchte die Gemeinde im kommenden Jahr ein Informatio­nszentrum zu den Funden vor der Höhle errichten. (kna)

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Foto: dpa (2), Schwäbisch­e Alb Tourismus e.V. Der Professor für Archäologi­e, Nicholas Conrad, kommt jedes Jahr mit Studenten zum Hohlen Fels und sucht nach Schätzen.
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Bei ihren Grabungen haben sie etwa den Löwenmensc­hen gefunden.
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Die „Venus vom Hohlen Fels“soll die älteste Darstellun­g eines Menschen sein.

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