Mittelschwaebische Nachrichten
Was Lehrer dürfen – und was nicht
Immer wieder kommt es zu Konflikten mit Schülern. Ein Experte gibt Ratschläge
Augsburg Wenn Schüler ihren Lehrern nicht gehorchen, ist Ärger programmiert. Oft gibt es als Konsequenz Strafarbeiten oder Verweise. Doch manchmal liegen die Nerven im Klassenzimmer so sehr blank, dass sich Lehrer von den Dummheiten mancher Schüler anstecken lassen. Dann wird es für die Pädagogen heikel.
So wie jüngst an einer Realschule im nordrhein-westfälischen Neuss. Dort hat ein Musiklehrer seine Schüler nach dem Unterrichtsende im Klassenzimmer festgehalten. Er setzte sich vor die Tür und verdonnerte seine Schüler, eine schriftliche Arbeit fertig zu schreiben, ehe sie den Klassenraum verlassen. Der Lehrer hinderte manche Schüler auch körperlich am Verlassen des Klassenzimmers. Ein Schüler rief daraufhin die Polizei.
Nun hat das Amtsgericht Neuss den Pädagogen schuldig gesprochen – wegen Freiheitsberaubung. Als Konsequenz muss sich der Lehrer im Umgang mit undisziplinierten Schülern fortbilden. Der Vorfall ist bundesweit nur einer von vielen Fällen, in denen die Grenzen zwischen pädagogischer Erziehung und den Rechten der Schüler schwinden. Immer häufiger stellt sich die Frage: Was dürfen Lehrer? Und was nicht?
Hans-Peter Etter leitet die Rechtsabteilung des Bayerischen Lehrerverbands und kennt die grenzwertigen Konflikte zwischen Schülern und Lehrern nur allzu gut. Das Bestrafungsmaß sei an Schulen klar geregelt, sagt Etter. „Es gibt gewisse Ordnungsmaßnahmen wie einen Verweis, eine Versetzung oder einen Schulausschluss.“Den körperlichen Kontakt mit Schülern sollte man als Lehrer am besten ganz vermeiden, sagt Etter.
Doch was, wenn den Schülern der Verweis oder die Versetzung egal ist, sie sogar drüber lachen und stolz darauf sind? Reicht dann der Strafenkatalog überhaupt aus? „Lehrer brauchen mehr Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der Ordnung“, meint Etter. Zudem müsse die Autorität des Lehrers gestärkt werden. „Die Lehrer müssen von außen besser unterstützt werden“, fordert Etter. Mit „außen“meint er die Politik, die Öffentlichkeit und vor allem auch die Eltern.
In seinem Amt nimmt er die größer werdende Zahl von Elternbeschwerden mit Sorge zur Kenntnis. „Früher war die Autorität des Lehrers eine ganz andere“, erinnert sich Etter. „Sie muss wieder so gestärkt werden, dass es nicht bei jeder Gelegenheit eine Dienstaufsichtbeschwerde gibt“, sagt Etter. Hierbei sei die Unterstützung der Eltern das A und das O. „Sie sollten den Lehrern mehr vertrauen.“Und wenn es mal Probleme gibt, sollte man als Elternteil zuerst das Gespräch mit dem Lehrer suchen, sagt Etter, „und nicht mit dem Anwalt“.
Und was können Lehrkräfte selbst tun, um ihre Autorität zu stärken und eine Eskalation in der Klasse zu vermeiden? „Viel kommunizieren“, empfiehlt Etter. Jeder Lehrer sei gut beraten, wenn er mit der Klasse klare Regeln aufstelle. „Und das am besten einheitlich in der gesamten Schule.“Man dürfe aber nicht nur ermahnen und tadeln, sondern müsse die Schüler auch motivieren und loben. „Das ist die Kunst der Pädagogik“, erklärt Etter. Der Experte gibt seine Einschätzung zu folgenden Fallbeispielen aus dem Klassenzimmer ab:
Darf der Lehrer einem Schüler das Handy abnehmen? Etter: „Ja. Das Handy muss aber noch am selben Schultag dem Schüler zurückgegeben werden. Das gilt auch für alle weiteren Gegenstände, die einem Schüler gehören.“
Darf der Lehrer seine Schüler ins Klassenzimmer einsperren? Etter: „Nein. Das ist verboten.“
Darf der Lehrer einen Schüler aus dem Klassenzimmer schicken? Etter: „Das ist grundsätzlich erlaubt aber pädagogisch umstritten. Besser wäre es, ihn für die restliche Dauer der Unterrichtsstunde in eine andere Klasse zu schicken.“
Darf sich der Lehrer körperlich gegen Schüler wehren? Etter: „Ja – aber nur in absoluten Notfallsituationen. Wenn er körperlich angegriffen wird zum Beispiel – und natürlich nicht mit massiver Gewalt, sondern mit verhältnismäßigen Mitteln.“
Darf der Lehrer seine Schüler beleidigen? Etter: „Natürlich nicht.“