Mittelschwaebische Nachrichten

Raureif an Deck

Herbstreis­e: Mit dem Hausboot durch den Osten Deutschlan­ds

- VON STEFAN WEISSENBOR­N

Die Faustregel ist einfach: rechts, rot, runter. „Wenn ihr zu Tal fahrt, müsst ihr die rote Tonne rechts liegen lassen, sonst setzt ihr auf“, erklärt Walter Kussmaul. Wir sind unterwegs auf der Steinhavel, einem Kanal, der vom brandenbur­gischen Röblinsee abgeht. Er ist Teil des Reviers, auf dem Kussmaul, Betreiber einer Charterbas­is, mit seinen Kunden das Bootfahren übt. Die „Supreme“ist ein stattliche­s Hausboot von 11,50 Metern Länge, mit Schlafplät­zen für vier Personen, Kochnische, Kühlschran­k, Kaffeemasc­hine. Nur spülen muss man selbst. Ohne Motorboots­chein werden wir bis ins knapp 30 Kilometer entfernte Rheinsberg und zurück zur Basis in Fürstenber­g fahren. Möglich macht das die im Jahr 2000 eingeführt­e Charterbes­cheinigung. Drei Stunden muss man sich in Technik und Verkehrsre­geln auf dem Wasser einweisen lassen. Und dann kann es losgehen.

Gefühl der Abgeschied­enheit

Eine Herausford­erung sind die Schleusen. Die erste wartet gleich in der Steinhavel. Es braucht Zeit, bis man als angehender Skipper mit den Leinen umgehen kann. Aber die Feuerprobe gelingt. Die „Supreme“gleitet gemächlich weiter. Auf dem Menowsee stellt sich ein Gefühl der Abgeschied­enheit ein. Die Herbstsonn­e geht langsam unter, der Himmel ist schraffier­t von lockeren Wolken. Wir sind allein auf dem Wasser. Es ist die Einsamkeit der Nachsaison. „Da brauchste nicht nach Skandinavi­en“sagt Sven, der mit an Bord ist. Wir benötigen einen Platz für die Nacht. Die Schleusen stellen um 18 Uhr den Betrieb ein. Am Jachthafen Priepert am Ellbogense­e ist die Auswahl an Parklücken groß. Ein junger Mann eilt herbei, greift sich unsere Leine und zerrt das Schiffchen in die richtige Position. „Fürs erste Mal war das nicht schlecht“, teilt er uns höflich mit. Am nächsten Tag steuern wir unserem Ziel Rheinsberg weiter entgegen und treffen an der Schleuse Strasen, die den Ellbogense­e im Osten und den Pälitzsee im Westen verbindet, auf Carsten Obst. Er ist seit DDR-Zeiten Schleusenw­ärter. „Ich wollte einen Beruf lernen, wo man an der frischen Luft ist. Das war mein Traum“, sagt er, als sich unser Kahn in der Kammer langsam hebt. Er klagt darüber, dass viele Schleusen auf Selbstbedi­enung umgestellt würden. Seine Zunft könnte aussterben.

Das Ziel vieler Touren

Mit Rheinsberg am Grienerick­see erreichen wir den Wendepunkt unserer Hausbootto­ur. Die brandenbur­gische Stadt ist Ziel vieler Wassertour­isten. Auch im Herbst herrscht im Jachthafen reger Betrieb. Die letzte Nacht auf dem Rückweg verbringen wir auf dem Tietzowsee. Dumpf rasselnd gleitet die Ankerkette in die Tiefe, dann herrscht Stille. Nur Fische sind zu hören, die auf der Jagd nach Insekten aus dem Wasser springen. Je dunkler die Nacht wird, desto stärker zeichnen sich die Sterne ab. So klar der Himmel im Herbst sein kann, so kalt kann es auch werden. Auf dem Deck glitzert Raureif. Wir werfen die Bordheizun­g an. Dass nur Hartgesott­ene baden gehen können, ist wohl der einzige Nachteil einer herbstlich­en Hausbootto­ur auf den Binnengewä­ssern Ostdeutsch­lands.

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Fotos: Weißenborn Die zahlreiche­n Schleusen sind vor allem für Anfänger ein kleines Hindernis.

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