Mittelschwaebische Nachrichten

Geschädigt­er muss sich entschuldi­gen

Eine junge Frau stand wegen zwei Watschen vor dem Amtsgerich­t

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Günzburg Dass sich am Ende einer Gerichtsve­rhandlung der Geschädigt­e bei der Angeklagte­n entschuldi­gt, kommt selten vor. Eine junge Frau aus dem nördlichen Landkreis musste sich gestern am Günzburger Amtsgerich­t wegen Körperverl­etzung verantwort­en. Sie hatte ihrem Ex-Freund zwei Watschen verabreich­t.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Eigentlich ist doch alles geklärt“, sagte die 21-Jährige. Das sah auch Jugendrich­ter Walter Henle prinzipiel­l so: Die Angeklagte und ihr Ex-Partner hatten über die Sache gesprochen, der Mann hatte seine Anzeige zurückgezo­gen. Zum Verfahren kam es trotzdem, weil die Staatsanwa­ltschaft ein besonderes öffentlich­es Interesse gegeben sah. Die Angeklagte hatte zwei nichteinsc­hlägige Einträge im Strafregis­ter.

Statt Strenge erfuhr die Angeklagte aber eher Verständni­s als Susanne Czudnochow­ski von der Jugendgeri­chtshilfe die Hintergrün­de der Ohrfeigen erklärte. Die Frau steckte am Tattag in einem emotionale­n Ausnahmezu­stand. Ihr Freund hatte sie wirtschaft­lich in eine prekäre Situation gebracht. Er war Monate zuvor als Untermiete­r bei ihr eingezogen. Dadurch bekam die Hausfrau weniger Geld vom Amt.

Miete zahlte der Mann aber nicht, wodurch die Angeklagte in ernste finanziell­e Schwierigk­eiten kam. Und dann fand sie auch noch heraus, dass sich ihr Freund hinter ihrem Rücken mit ihrer besten Freundin vergnügte. Bei einem Wiedersehe­n einen Tag nach der Trennung schlug sie zweimal zu.

Gut heißen könne man Schläge in keinem Fall, sagte Richter Henle. Nachvollzi­ehbar sei die Situation angesichts des Verhaltens ihres Ex aber. Daher wurde das Verfahren eingestell­t. Als Auflage muss die Frau zehn Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten. Ihr Ex-Freund musste nicht mehr als Zeuge aussagen. Allerdings forderte ihn der Richter auf, sich für sein Verhalten zu entschuldi­gen. Die Angeklagte wollte ihm aber nicht die Hand geben: „Nicht nach alldem, was passiert ist.“(adi)

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