Mittelschwaebische Nachrichten
Spione, Spekulanten und das schwarze Gold
Literaturherbst Tom Hillenbrand stellt seinen Roman „Der Kaffeedieb“vor
Krumbach „Ich bin ja eigentlich kein Kaffee-, sondern Teetrinker“, teilte der Schriftsteller Tom Hillenbrand dem erwartungsfrohen Publikum in der Stadtbücherei mit. Der 1972 geborene und in München lebende Autor präsentierte sein neuestes Werk, einen Abenteuerroman vor geschichtlichem Hintergrund. Veranstalter dieser Lesung waren Stadtbücherei, Weltladen und abc-Büchershop.
„Ich war“, so der Bestsellerautor, „per Zufall in einem Buch über Essenshistorie auf eine Bemerkung gestoßen, in der von Holländern die Rede war, die den Türken Kaffeepflanzen entwendet hatten“. Von dieser Begebenheit ließ sich Tom Hillenbrand zu „Der Kaffeedieb“inspirieren. Es handelt sich hierbei – nach Kolumnen und Glossen, nach erfolgreichen „kulinarischen“Krimis und dem preisgekrönten Science-Fiction-Roman „Drohnenland“– um sein erstes historisch basiertes Werk.
„Kaffeedieb“ist zwischen 1683 und 1689 angesiedelt und taucht ein in eine Zeit vielfältiger Aufbrüche und Erfindungen. Diese war zugleich auch von Intrigen und Spionage, von Spekulantentum und diversen Verteilungskämpfen geprägt. Tom Hillenbrand, der auch als Wirtschaftsredakteur gearbeitet hat, war aber keineswegs nur an ökonomischen und historischen Hintergründen interessiert. „Der Kaffeedieb“profitiert auch von der Fabulierlust seines Schöpfers, die ein Panoptikum von oft lebhaft beschriebenen, vielschichtigen Charakteren entstehen ließ.
Da ist zunächst die Hauptfigur, der leicht zwielichtige Spekulant, Fälscher und Glücksritter Obediah Chalon. Er findet sich im Londoner Kaffeehaus ein, der damaligen Informationsbörse Nummer eins, landet aber wegen Betrügereien im Amsterdamer Zuchthaus, ehe er die Chance erhält, sein Abenteurertum in erfolgreichere Bahnen zu lenken. Für die VOC (Vereinigte Ostindische Compagnie) soll er sich mit ei- ner Spezialistentruppe ins ferne Mocha (im Jemen) begeben, um Kaffeepflanzen zu stibitzen. Damit soll das türkische Monopol bezüglich des neuen, heiß begehrten Modegetränkes gebrochen werden.
Rund um die am 11. September 1683 erfolgte Rettung Wiens vor der Eroberung durch die osmanischen Türken entfaltet Tom Hillenbrand ein abenteuerliches und abwechslungsreiches Halunken-, Intrigenund Spionage-Stück. Oft wird die Handlung dabei durch das seinerzeit dominierende Kommunikationsmedium, den regen Briefwechsel, vorangetrieben. Dass sich Chalon mit dem italienischen Admiral Marsiglio, der Trickbetrügerin Condessa Catérina, dem Juden Cordeloro und anderen abenteuerlustigen Zeitgenossen eine Expertentruppe zusammenstellt, bleibt auch der französischen Gegenseite nicht verborgen.
Vom hier gar nicht so strahlendglanzvoll erscheinenden „Sonnenkönig“Louis XIV. werden der Kryptologe Rossignol und Musketier/Geheimagent Polignac mobili„Der siert, um bei der Jagd nach dem als schwarzes Gold geltenden Kaffee nicht abgehängt zu werden ... „In Rififi-Manier planen Obediah und seine Helfer den perfekten Coup“, meinte der Autor.
In gut ausgewählten Leseproben erweckte Hillenbrand diverse Haupt- und Nebenfiguren seines spannenden Romanes stimmlich variabel in der Stadtbücherei zum Leben. Das Genussmittel des 17. Jahrhunderts würde uns heute übrigens wohl kaum schmecken. Wie die Recherchen des Schriftstellers nämlich ergaben, wurde der Kaffee damals – kaum vorstellbar – im Fass zwischengelagert.
„Das erklärt, warum die Perücken gerollt waren“, meinte der Schriftsteller mit ironischem Unterton.
Ohne Zweifel deutlich schmackhafter war der von Günther Deubler vom Weltladen angebotene BioKaffee, der den durch die kurzweilige Lesung ohnehin angeregten Gästen als „Krumbacher Tässle“kredenzt wurde.