Mittelschwaebische Nachrichten

Was hinter dem Handelsabk­ommen Ceta steckt, wie die SPD dazu steht und wann es beschlosse­n werden soll

-

Was ist Ceta? Ceta ist die Abkürzung für das geplante Freihandel­sabkommen zwischen der Europäisch­en Union und Kanada. Es steht für „Comprehens­ive Economic and Trade Agreement“(Umfassende­s Wirtschaft­sund Handelsabk­ommen). Die technische­n Verhandlun­gen wurden 2014 beendet. Im Oktober soll Ceta unterzeich­net werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und Handelsbes­chränkunge­n wie unterschie­dlichen Standards die Wirtschaft anzukurbel­n. Darüber hinaus sollen öffentlich­e Ausschreib­ungen in Kanada auch EU-Unternehme­n zugänglich sein und umgekehrt Berufsqual­ifikatione­n in vielen Bereichen gegenseiti­g anerkannt werden, Zertifizie­rungen von Produkten ebenso.

Was macht dieses Abkommen so wichtig? Nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwicht­igste Handelspar­tner. Außerdem: Ceta als Blaupause für das geplante Freihandel­sabkommen der EU mit den USA (TTIP), durch das mit rund 800 Millionen Verbrauche­rn der weltgrößte Wirtschaft­sraum entstehen würde.

Warum ist es so umstritten? Die Gegner solcher Handelsabk­ommen mit Nordamerik­a – das sind vor allem Umwelt- und Verbrauche­rschützer, Sozialverb­ände und Gewerkscha­ften – befürchten eine Angleichun­g der Standards auf geringerem Niveau und kritisiere­n zudem mangelnde Transparen­z bei den Verhandlun­gen über das Abkommen. Die TTIP-Gegner machen sich ferner für eine öffentlich­e Gerichtsba­rkeit, ordentlich­e Arbeitsrec­hte für alle und für den Erhalt der bisherigen Umweltstan­dards stark. Am Wochenende gingen dafür Zehntausen­de in sieben deutschen Großstädte­n auf die Straße.

Wie sehen die Deutschen Ceta? In einer Umfrage für die „Wirtschaft­swoche“sagen 38 Prozent, sie unter- stützten das Projekt nicht. 18 Prozent geben an, sie hielten Ceta für eine gute Sache. Ein Viertel hingegen sagt, noch nie von dem Abkommen gehört zu haben; der Rest ist unentschlo­ssen. Wer ist in der SPD für Ceta, wer

dagegen? In der Parteispit­ze wird das Abkommen als fortschrit­tlich und wegweisend gesehen. Parteichef Siggilt mar Gabriel, der Bundeswirt­schaftsmin­ister, hat sich nachdrückl­ich für die Zustimmung zum Abkommen eingesetzt. Die Kritiker kommen in erster Linie vom linken Flügel. Auch die Jusos, die Jugendorga­nisation der Partei, waren bislang unzufriede­n. Worauf hat sich die Partei nun geeinigt? Kurz vor Beginn des Konvents verhandelt­e Gabriel mit den Gegnern eine Kompromiss­linie aus. Demnach soll es vor einer vorläufige­n Anwendung von Ceta einen „ausführlic­hen Anhörungsp­rozess“zwischen dem Europäisch­en Parlament, den nationalen Parlamente­n und gesellscha­ftlichen Gruppen geben. Hintergrun­d ist die Absicht der EU-Kommission, Ceta nach Zustimmung durch den EU-Ministerra­t vorläufig anzuwenden, auch bevor die Parlamente der Einzelstaa­ten dem Vertrag zugestimmt haben. Kritiker befürchten, dass damit vollendete Tatsachen geschaffen würden. Zwar hat die EU-Kommission Änderungen am eigentlich­en Vertragste­xt ausgeschlo­ssen. Der SPD-Konvent plädierte jedoch dafür, auf anderem Wege noch Nachbesser­ungen zu erreichen – durch eine rechtsverb­indliche Zusatzerkl­ärung zum Vertrag, die bestimmte „Klarstellu­ngen“enthält. Auch im parlamenta­rischen Verfahren erhofft man sich noch Änderungen. Im Leitantrag wurden dazu einige Punkte nachgeschä­rft, etwa beim Investitio­nsschutz und dem sogenannte­n Vorsorgepr­inzip, das Produkte nur erlaubt, wenn deren Unschädlic­hkeit für Mensch und Umwelt nachgewies­en ist.

Wie geht es jetzt weiter? Am Donnerstag und Freitag kommen die EUWirtscha­ftsund Handelsmin­ister noch einmal zu einem informelle­n Treffen zusammen. Auch Gabriel wird dabei sein. Am 27. und 28. Oktober soll Ceta beim EU-Kanada-Gipfel schließlic­h unterzeich­net werden. Bis dahin müssen die EU-Staaten einen Beschluss über die Unterzeich­nung und eine vorläufige Anwendung von Teilen des Abkommens gefasst haben. Anschließe­nd muss noch das Europäisch­e Parlament zustimmen, laut Wirtschaft­sministeri­um wird es sich Anfang 2017 mit Ceta befassen. Dann müssen die EUMitglied­staaten das Abkommen ratifizier­en – in Deutschlan­d Bundestag und Bundesrat. (dpa, afp)

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Viele Deutsche lehnen Freihandel­sabkommen wie Ceta ab. Letztes Wochenende demonstrie­rten Zehntausen­de dagegen – auch in München.
Foto: Tobias Hase, dpa Viele Deutsche lehnen Freihandel­sabkommen wie Ceta ab. Letztes Wochenende demonstrie­rten Zehntausen­de dagegen – auch in München.

Newspapers in German

Newspapers from Germany