Mittelschwaebische Nachrichten

So wird mit Robotern Stimmung gemacht

Nicht jeder Kommentar auf Facebook oder Twitter stammt tatsächlic­h von einem Menschen. Wie Maschinen Debatten manipulier­en und wie man solche automatisc­h erstellten Nachrichte­n erkennt

- VON JULIA SEWERIN

Augsburg Sie verbreiten Hasskommen­tare, mischen in politische­n Diskussion­en mit oder setzen selbst Trends, um die Aufmerksam­keit der Menschen auf bestimmte Themen zu lenken: Social Bots. Übersetzt: soziale Roboter. Dahinter stecken falsche Profile in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook. Sie werden von einer Software gesteuert, gaukeln anderen Nutzern aber vor, von realen Personen zu stammen. So heizen sie den demokratis­chen Diskurs im Internet an. Schätzungs­weise 100 Millionen solcher falscher Profile gibt es auf allen den Plattforme­n.

Während Experten mit Computerpr­ogrammen Social Bots aufspüren, ist es für den Laien gar nicht so einfach, zwischen Mensch und Maschine zu unterschei­den. Am schnellste­n erkennen Nutzer die Roboter, wenn sie sie in ein Gespräch verwickeln. „Sie können zwar etwas posten, das plausibel klingt, aber wenn man gezielt nachfragt, verstehen sie die Frage nicht und können nicht sinnvoll antworten“, sagt Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der Technische­n Universitä­t München. „Die meisten Programme, die momentan benutzt werden, überzeugen nur auf den ersten Blick. Sobald man sich mit ihnen beschäftig­t, erkennt man das unnatürlic­he Verhalten“, fügt er hinzu.

Das Problem: Social Bots werden immer intelligen­ter. Laut Hegelich werden wir in fünf Jahren kaum noch unterschei­den können, ob wir mit Mensch oder Roboter diskutiere­n. Diesem technische­n „Fortschrit­t“stünden Nutzer gegenüber, die erst lernen müssten, mit den neuen Möglichkei­ten kritisch umzugehen, sagt Christian Schwarzene­gger. Er ist Kommunikat­ionswissen­schaftler an der Universitä­t Augsburg und hat festgestel­lt, dass bei vielen Diskussion­en plötzlich das Thema gewechselt wird. Dann reden zum Beispiel alle über Flüchtling­e, obwohl die gar nichts mit dem ursprüngli­chen Artikel zu tun hatten. Manchmal reicht dann schon ein manipulati­ver Kommentar eines Roboters aus, um eine Hasstirade realer Nutzer auszulösen.

„Es geht darum, eine bestimmte Meinung massenhaft zu verbreiten, sodass der Eindruck erweckt wird, dass eine Position von mehr Menschen vertreten wird, als es wirklich der Fall ist“, sagt Schwarzene­gger. Oder andersrum: Kritische Stimmen werden von einer Flut an Automaten-Kommentare­n so überladen, dass die sinnvollen Inhalte dazwischen kaum noch zu finden sind und die echten Nutzer genervt sind. „So kann eine Debatte einfach abgetötet werden“, sagt er.

Schwarzene­gger fürchtet langfristi­ge Auswirkung­en auf den demokratis­chen Diskurs. „Es kann dazu beitragen, dass wir die Meinung anderer diskrediti­eren, verlernen zuzuhören und die Regeln des demokratis­chen Austauschs verloren gehen.“Denn dieser lebt davon, über die Meinung des anderen nachzudenk­en. Je mehr diese falschen Profile zunehmen, desto mehr werde versucht, die Meinungen der Menschen zu steuern. Besonders bedenklich wird es, wenn sich Social Bots in Wahlkämpfe einmischen. Experten haben herausgefu­nden, dass rund 60 Prozent der „Anhänger“der US-Präsidents­chaftskand­idaten Hillary Clinton und Donald Trump auf Twitter in Wirklichke­it Social Bots sind. Den Auftraggeb­er zu identifizi­eren, sei schwierig, sagt Hegelich. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass die Wahlkampft­eams der Politiker selbst dahinterst­ecken. Es können aber auch politische Aktivisten oder andere zwielichti­ge Personen sein, die dem Kandidaten schaden oder helfen wollen.

Und es gibt noch eine weitere Komponente: Werbemache­r nutzen gezielt die Popularitä­t von Personen, um Produkte oder Firmen zu vermarkten. „Bei 80 Prozent dieser Bot-Aktivitäte­n geht es nicht um politische Absichten, sondern darum, Werbung prominent zu platzieren“, sagt Hegelich.

Es geht also nicht nur um politische Stimmung. Hinter Social Bots steckt ein Markt. Es geht auch – oder vor allem? – um Geld.

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Foto: dpa Wer steckt hinter den Facebook-Kommentare­n?

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