Mittelschwaebische Nachrichten
Wie sich der Standort Bayern entwickelt
Die Zahl der Rentner wird steigen, die der Erwerbstätigen sinken. Bis zum Jahr 2030 muss sich deshalb auch im Freistaat einiges ändern, damit er für die Wirtschaft attraktiv bleibt
München Eines treibt Wirtschaftsfachleute schon seit geraumer Zeit um: Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland wird innerhalb der nächsten 15 Jahre stark zurückgehen. Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer schlägt deswegen nicht ganz ernst gemeint vor: „Entweder wir erhöhen die Beiträge oder wir senken das Rentenniveau oder wir vereinbaren, dass wir alle früher sterben – was aus gesellschaftspolitischer Sicht nicht einfach wäre“, sagt er mit schwarzem Humor beim Kongress „Industriestandort Bayern – Entwicklungsperspektiven 2030“im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München. Doch der CSU-Politiker wird schnell wieder ernst: „Lasst uns doch die Lebensarbeitszeit erhöhen“, sagt er. Wenn die Lebensqualität und die Gesundheit im Alter stabil seien, spreche wenig dagegen, erklärt Pschierer.
Der Rückgang der Erwerbstätigen ist nicht die einzige Zukunftsprognose, die das Beratungsunternehmen Prognos AG vorstellt. Das Beratungsunternehmen beschäftigt sich mit Zukunftsthemen, unter anderem in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Die präsentierte Studie befasst sich mit der industriellen Entwicklung in Deutschland, insbesondere mit der im Freistaat Bayern.
So wird sich Bayerns Industrie auch weiterhin stark auf einzelne Märkte spezialisieren. Laut Studie gehört die Branche Maschinenbau zu den volumenstärksten und gleichzeitig auch zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftsbereichen. Ebenso sind im Freistaat die Branchen Datenverarbeitung, Elektronik und Optik sehr wichtig. Bayern hat mit diesen Sektoren laut Prognos „auf das richtige Pferd gesetzt“. Diese Bereiche und auch der Fahrzeugbau werden in Zukunft weiterwachsen und für Deutschland einen großen Teil der Bruttowertschöpfung ausmachen.
Die wichtigsten Absatzmärkte werden in den kommenden zehn bis 20 Jahren für Deutschland neben den USA auch Schwellenländer wie Indien oder China sein, berichten die Prognos-Experten. Je nach politischer Lage wird dann genauso die Türkei ein entscheidender Absatzmarkt für Deutschland – so zumindest die Ergebnisse der Studie.
„Grundsätzlich ist die Industrie in Bayern gut aufgestellt“, sagt deshalb der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt. Trotzdem bestehe Nachholbedarf, was die Digitalisierung angeht. Die Studie, die von der vbw in Auftrag gegeben wurde, verdeutlicht: Die Industrie in Bayern wird auch in Zukunft vor allem klassische Produkte wie Autos oder Maschinen herstellen, die digitale Vernetzung gewinnt aber an Einfluss auf die Industrie. Den Schlussfolgerungen der Studie zufolge könnte dadurch die Produktion flexibel gesteuert und besser auf Kundenwünsche eingegangen werden. „Ich stelle mir zum Beispiel vor, dass ich meinen digitalen Terminkalender vor mir habe und mich in Zukunft mein autonom gesteuertes Auto kurz vor dem Meeting abholt“, sagt der Chefökonom der Prognos AG, Michael Böhmer.
Für Pschierer ist bei der Digitalisierung die technische Infrastruktur wichtig. „Wir müssen digitale Gründerzentren etablieren. Aber hier fehlen die Rahmenbedingungen“, ergänzt er. „Wir werden auch andere Arbeitsmodelle schaffen. Da brauchen wir mehr Flexibilität.“