Mittelschwaebische Nachrichten
Der Regenschirm wird zum Wegwerfprodukt
Früher galt er als edles Accessoire. Heute landet der Schirm schnell im Müll und kann kaum recycelt werden
Berlin Rolf Lippke kann mit schönem Wetter nicht viel anfangen. Für den Herbst wünscht er sich Regen, viel Regen. Etwa 500 Regenschirme gibt es im Laden des gelernten Schirmmachers in Berlin. Sein Beruf ist selten. „Das Handwerk ist gelöscht worden“, sagt Lippke. Auszubildende gebe es nicht mehr. Denn die Verbraucher kaufen bevorzugt einen günstig hergestellten Schirm aus China. Das Land aus Fernost beherrscht die Produktion nach Angaben des Verbands der Schirm- und Stockfachhändler zu 98 Prozent. Kaputte Schirme enden schnell im Müll.
Nur wenige Schirme stellt Lippke noch selbst her. „Im Jahr etwa 30 bis 35 Stück“, erklärt der Handwerker. Für Bräute fertigt er Hochzeitsschirme überzogen mit weißer Spitze an, auch von Theatern bekommt er Anfragen. Da der Beruf so selten geworden ist, werden auch die dafür benötigten Maschinen nicht mehr hergestellt: Lippkes Maschine, mit der der Hohlraum für die Feder am Schirmstock gefräst wird, stammt aus dem Jahr 1930. Falls etwas kaputt geht, hat Lippke genügend Ersatzteile vorrätig. Schlechter sieht es bei seinem Arbeitsmaterial aus. Es sei nicht einfach, noch gute Regenschirmseide zu bekommen. Auch dafür sei die Produktion nach Asien verlegt worden. Vor allem ältere Menschen brächten ihm Schirme zur Reparatur. Die sei aber erst ab einem Schirmpreis von etwa 40 Euro sinnvoll. „Drunter lohnt es sich nicht.“Der Löwenanteil der Schirme landet also nicht auf der Werksbank, sondern im Müll. „Der Regenschirm ist zum Wegwerfprodukt geworden“, sagt Willy Schüffler, der den Verband der Schirmund Stockfachhändler leitet, dem rund 50 Fachgeschäfte in Deutschland und Österreich angehören. Der Durchschnittspreis für einen Regenschirm liege in Deutschland bei 4,50 Euro. Viele Modelle sind auch für weniger zu haben. Nach Schüfflers Angaben kaufen Verbraucher bundesweit pro Jahr rund 26 Millionen Regenschirme in jeder Form und Größe. Hat der Schirm den Sturm nicht überlebt, landet er in einem Stück im Mülleimer – was das Recyceln schier unmöglich macht. „Das sind zu viele unterschiedliche Materialien“, erklärt Schüffler, der selbst einen Fachladen in Essen betreibt. Europas Nummer eins für die Herstellung von Regenschirmen sitzt in Braunau am Inn, direkt an der deutschösterreichischen Grenze. Die Firma Doppler hält unter anderem die Lizenz für Produktion und Vertrieb für die Modemarken s.Oliver und Bugatti. „Diese Schirme kosten im Laden dann zwischen 15 und 40 Euro“, erklärt Geschäftsführer Hermann Würflingsdobler. Sie kommen aus Fernost. Bis zu 20000 Schirme produziert seine Firma pro Jahr noch in Europa. „Exklusive Modelle werden in der Manufaktur in Österreich hergestellt“, sagt Würflingsdobler. Doppler gehört auch der Inbegriff des deutschen Klappschirms: der Knirps. Das Unternehmen übernahm die Marke mit Sitz im bayerischen Pfarrkirchen 2005. Das Wetter sei in diesem Jahr auf der Seite der Firma gewesen, sagt eine Sprecherin. Bis August hätte das Unternehmen 25 Prozent mehr verkauft als im trockenen Vorjahr.
Amelie Richter, dpa