Mittelschwaebische Nachrichten
Vom Blitz getroffen
César Aira und der Reisemaler Rugendas
Zum 150. Todestag wurde der Reisemaler Johann Moritz Rugendas (1802 - 1858) mit einer Gemeinschaftsausstellung in seiner Geburtsstadt Augsburg und in seiner mehrjährigen Wirkungsstätte Santiago de Chile gewürdigt. Spätestens da erhellte sich wieder die transatlantische Bedeutung dieses letzten Sprosses einer Augsburger Künstlerdynastie und stupenden Schützlings des Naturforschers Alexander von Humboldt. Sie war (und wird) diesseits und jenseits des Atlantiks unterschiedlich wahrgenommen.
Der Argentinier César Aira (67) aus der ersten Garde iberoamerikanischer Autoren bediente sich wie selbstverständlich des Juan Mauricio Rugendas für ein meisterhaftes Stück komplexer Literatur. In Airas Subkontinent ist geläufig, wer mit Reisemaler (pintor viajero) gemeint ist. In Rugendas’ Heimat jedoch blieb er eher „Humboldts Schatten“. Genau so lautete 2003 der deutsche Titel von Airas Novelle „Un episodio en la vida del pintor viajero“, also „Eine Episode im Leben des Reisemalers“. Und wortgetreu so – ein Beispiel für Rezeptionsgeschichte – heißt jetzt auch die Neuübersetzung als Band 5 der „Bibliothek César Aira“im Verlag Matthes & Seitz. Es geht um Rugendas’ zweite Amerika-Reise (1831-1846). Deren Dramatik nach Überquerung der chilenischen Anden im Blitzgewitter der argentischen Pampa mündet bei Aira in eine unvergessliche Erzählexplosion. Der im Blitzschlag von seinem Pferd mitgeschleifte Rugendas wurde an jenem 12. Februar 1838 ein anderer, als er zuvor gewesen. Hans Krebs