Mittelschwaebische Nachrichten
Senioren lieben anders als junge Menschen
Hunderte Psychologen diskutieren heute bei einem Kongress in Leipzig, wie sich Emotionen im Lauf des Lebens verändern. Professorin Ute Kunzmann erklärt es
Frau Kunzmann, empfinden wir Menschen im Alter anders als in jungen Jahren? Ute Kunzmann: Ja, das Gefühlsleben ändert sich im Lauf unseres Lebens. Das passiert in langsamen Stufen, deshalb nehmen wir uns selber oft als stabil in unseren Empfindungen wahr, obwohl es gar nicht so ist.
Welche Gefühle beherrschen junge Menschen? Kunzmann: Wenn man jung ist, hat man meist sehr viele Ziele beruflicher Art, man ist damit beschäftigt, seine Potenziale zu entwickeln. Man macht vielleicht ein Auslandssemester, zieht womöglich um. All das konkurriert mit einer Beziehung. Viele entscheiden sich im Zweifelsfall erst mal gegen eine Partnerschaft oder hoffen, dass die Beziehung all das aushält. Und was ist den Älteren unter uns wichtig? Kunzmann: Mit zunehmendem Alter empfindet man gegenüber seinen Mitmenschen weniger beziehungsschädigende Gefühle wie Ärger, Feindseligkeit oder Verachtung. Bei Konflikten sagt man sich viel eher: „Ist es das wert, die Beziehung zu gefährden?“In einer Partnerschaft zeigen Ältere eine sehr viel größere Gelassenheit, nehmen den Partner so, wie er ist. In Anbetracht dessen, dass die eigene Zeit begrenzt ist, nimmt man eine Beziehung als etwas Kostbares wahr. Das heißt aber nicht, dass im Alter alles Sonnenschein ist.
Warum nicht? Kunzmann: Man geht zum Beispiel mit Verlusten alterstypisch um, empfindet eine tiefere Traurigkeit. Außerdem gibt es Forschungen zum Gefühl des Bereuens. Wenn man jung ist, hat man mehr Zeit, etwas wiedergutzumachen. Es ist eine wichtige Aufgabe, mit dem Leben, wie man es gelebt hat, ins Reine zu kommen.
Welche Konfliktpotenziale verändern sich mit der Zeit? Kunzmann: Konflikte werden im Alter ganz grundsätzlich weniger. Ältere bringen oft mehr Mitgefühl für andere auf als junge Erwachsene. Und wenn es doch mal kracht, sind sie besser darin, Konflikte beizulegen. Interview: Sarah Ritschel