Mittelschwaebische Nachrichten

Wilhelmsha­ven und Franz Kafka

- VON FRANZ NEUHÄUSER fhn@augsburger allgemeine.de

Dem Schriftste­ller Franz Kafka ist größte Ehre widerfahre­n. Denn aus seinem Namen wurde ein Adjektiv geformt: kafkaesk. So bezeichnet wird eine Situation, in der sich der Mensch einer Bedrohung ausgesetzt sieht, die meist von einer mysteriöse­n, gesichtslo­sen Bürokratie ausgeht.

So ähnlich wie Kafkas Romanfigur Josef K., die eines Morgens verhaftet wird, „ohne dass er etwas Böses getan hätte“, geriet auch der SV Wilhelmsha­ven in die Mühlen mächtiger Organisati­onen. Was dann geschah, hat die Süddeutsch­e als „kafkaesken Abstieg“bezeichnet. Der einst stolze Drittliga-Verein rutschte, verstrickt in einen komplizier­ten Rechtsstre­it mit dem Weltverban­d Fifa, bis in die siebte Liga ab. Jetzt hat der SVW immerhin vor Gericht gewonnen (siehe Artikel auf folgender Seite).

In einer leicht kafkaesken Situation sehen sich dadurch die Bosse des Deutschen Fußball-Bundes und der Fifa. Die sind gewohnt, dass das, was sie sagen, in der FußballWel­t Gesetz ist. Und wenn einer mal gegen die geballte Funktionär­smacht aufbegehrt, können sie ihre eigene, interne Gerichtsba­rkeit in Gang setzen und Abweichler auf Kurs bringen.

Jetzt aber? Ist die Selbstsich­erheit der Fußball-Beherrsche­r leicht erschütter­t. Die aufmüpfige­n Wilhelmsha­vener haben erfolgreic­h Gerechtigk­eit vor Gerichten gesucht, die außerhalb des Einflussbe­reiches der Verbände stehen.

Der neutrale Beobachter empfindet beim Sieg des kleinen SVW gegen die scheinbar übermächti­gen Organisati­onen DFB und Fifa zunächst Schadenfre­ude. Auf lange Sicht werden sich die „Kleinen“aber nicht freuen können.

Denn, was ist eigentlich geschehen? Der Bundesgeri­chtshof hat lediglich die „Befehlsket­te“von der Fifa über den DFB hin zum regionalen Verband gekappt, hat gesagt: Es ist nicht rechtens, dass der Norddeutsc­he Fußball-Verband das exekutiert, was ihm die Fifa aufträgt, wenn die Strafe nicht durch die regionalen Statuten gedeckt ist.

Was wird also passieren? Der DFB wird sein Regelwerk straffen, wird die letzten juristisch­en Schlupflöc­her schließen, sodass kein Gericht der Welt mehr daran rütteln kann: Auch der kleinste Josef K., der Fußball spielt, unterliegt den Gesetzen der großen Fifa.

Ob das Urteil für Wilhelmsha­ven ein Happy-End bedeutet? Noch offen. Denn wie ein Zwangsabst­ieg in der Praxis gut gemacht werden soll, darüber sagt der Richterspr­uch nichts. Wilhelmsha­ven wird wohl im kafkaesken Streit mit dem DFB verstrickt bleiben. Immerhin, dem SVW ergeht es damit noch besser als Josef K. Denn der kam am Ende seines Prozesses ums Leben.

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