Mittelschwaebische Nachrichten

Denkmalsch­ützer wollen Hitler-Haus erhalten

Der emotionale Streit um die Zukunft des Anwesens. Das Parlament hat das letzte Wort

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Soll Hitlers Geburtshau­s in Braunau am Inn abgerissen werden? – in Österreich scheiden sich daran die Geister. Denkmalsch­ützer gehen gegen Pläne, das Haus dem Erdboden gleich zu machen, auf die Barrikaden. Der Beschluss der Großen Koalition aus Sozialdemo­kraten (SPÖ) und Konservati­ven (ÖVP) vom Juli, die in Bayern lebende Erbin der Eigentümer zu enteignen, hat die Zukunft des Anwesens wieder auf die Tagesordnu­ng gebracht. Der Streit war programmie­rt.

Die Eigentümer hatten das Haus 1938 an den NSDAP-Reichsleit­er Martin Bormann zu einem weit überhöhten Preis verkauft und es 1954 zu einem Bruchteil der Summe zurückerwo­rben. Es steht seit längerem leer, blieb aber eine Art Wallfahrts­ort rechter Gruppen und Neonazis. Im November soll das Parlament entscheide­n, wie es weitergeht. Der Gesetzentw­urf lässt ausdrückli­ch alle Optionen offen. Auch diese: Eine „vollständi­ge Beseitigun­g“ist möglich, heißt es in der Vorlage. Also enteignen und dann abreißen? Der Abriss sei „weder nötig noch richtig“, um ein „würdiges Gedenken an die schrecklic­he Zeit des Nationalso­zialismus“zu ermögliche­n, argumentie­ren die Denkmalsch­ützer.

Wolfgang Lipp vom internatio­nalen Denkmalpfl­egebeirat fordert eine sorgsame Abwägung durch Experten. Dass das Haus überhaupt unter Denkmalsch­utz steht, geht auf eine Entscheidu­ng des NS-Ministeriu­ms für innere und kulturelle Angelegenh­eiten aus dem Juli 1938 zurück. Das öffentlich­e Interesse an dem Gebäude wurde damit begründet, dass es sich um eine „der Gedenkstät­ten an den Führer und Reichskanz­ler Adolf Hitler, Braunau am Inn“handele. Dies sei für „das deutsche Volk von höchster öffentlich­er Bedeutung“.

1993 kam es zu einem neuen Bescheid der österreich­ischen Behörden. Danach ist das Haus als Teil eines architekto­nisch bemerkensw­erten Ensembles im Ortskern von Braunau zu erhalten. Die Bausubstan­z gehe auf das 15./16. Jahrhunder­t zurück. Rund 250 Bauten in Braunau stehen unter Denkmalsch­utz, 22 davon in der Straße Salzburger Vorstadt, so auch das Geburtshau­s Hitlers.

Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte schon im Juli den Abriss gefordert, ebenso der GrünenAbge­ordnete Harald Walser und schließlic­h sogar der FPÖ-Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer in einem Interview mit dem deutschen Stern. Auch Teile der Israelitis­chen Kultusgeme­inde mit 15000 Angehörige­n halten den Abriss für notwendig. Oberrabbin­er Arie Folger kann sich auch ein interaktiv­es Museum vorstellen. Wichtig sei es, eine Gedenkinst­itution „neutral und offen zu gestalten“, sodass sie nicht mit einer politische­n Bewegung zu verbinden sei und gleichzeit­ig eine klare Botschaft gegen den Hass und den Antisemiti­smus vermittle.

Bundeskanz­ler Christian Kern sowie ÖVP-Chef und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er plädierten gegen einen Abriss. Mehrere Initiative­n in Oberösterr­eich werben bereits für ein „Haus der Verantwort­ung“. Allerdings sind die ehemaligen Konzentrat­ionslager Mauthausen und Ebensee in der Nähe; auch Schloss Hartheim, wo Behinderte und Kinder den Euthanasie­tod erlitten, verfügt über eine Gedenkstät­te. An diesen Orten kann der Opfer gedacht werden und nicht der Täter.

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Foto: dpa Das Geburtshau­s Hitlers in Braunau am Inn mit Gedenktafe­l.

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