Mittelschwaebische Nachrichten

Turbulente Zeiten bei Audi

Vorstandsc­hef Stadler präsentier­te sich in der Dieselaffä­re bisher als Aufklärer, jetzt scheint er im Fokus der Ermittler zu stehen

- VON JOSEF KARG

Augsburg Es gibt in Ingolstadt derzeit kaum ein Krisengesp­räch, das sich nicht um die Dieselaffä­re dreht. Kein Wunder. Der Jahrzehnte vom Erfolg verwöhnte Ingolstädt­er Autobauer erlebt gerade ziemlich unruhige Zeiten. Es reiht sich eine Negativ-Nachricht an die andere. Gerade noch sickerte durch, dass der erst zu Jahresbegi­nn installier­te Entwicklun­gsvorstand Stefan Knirsch wohl wieder gehen muss, da wird schon gezielt verbreitet, dass Vorstandsc­hef Rupert Stadler bei der US-Kanzlei Jones Day zur ausführlic­hen Aussage vorgeladen ist. Die Ermittler sind im Auftrag des VW-Konzerns unterwegs, der wiederum vom US-Justizmini­sterium zum Handeln aufgeforde­rt ist.

Bereits 2007 habe ein Audi-Ingenieur einem größeren Kreis von Managern des Autoherste­llers in einer E-Mail geschriebe­n, dass man es „ganz ohne Bescheißen“nicht schaffen werde, die US-Grenzwerte beim Schadstoff­ausstoß von Dieselwage­n einzuhalte­n. Das berichtete­n Süddeutsch­e Zeitung, NDR und WDR am Mittwoch unter Berufung auf Erkenntnis­se der Kanzlei Jones Day. Viele Mitarbeite­r bei Audi fragen sich inzwischen: Und welche Hiobsbotsc­haft folgt morgen?

Da gäbe es in der Tat einige gefährlich­e Szenarien. Aber gemach. Zunächst einmal gilt es, die einzelnen Stränge rund um die Affäre zu sortieren, um eine Einordnung der aktuellen Vorgänge vornehmen zu können. Zu Stadler: Der Hinweis, dass er schon 2010, also deutlich früher als bisher bekannt, von den Manipulati­onen an den Dieselmoto­ren gewusst haben soll, wurde offenbar gezielt aus Wolfsburge­r Aufsichtsr­atskreisen gestreut. Wer aus welchen Gründen dem Audi-Chef schaden will, darüber lässt sich trefflich spekuliere­n, Licht ins Dunkel bringt das nicht.

Stadler, seit 2007 an der Unternehme­nsspitze, hat sich bisher als Aufklärer präsentier­t. Jetzt klingt es nach einer Meldung des Spiegel so, als wäre er zumindest ein Vertuscher. Denn es soll Zeugen geben, die ihn belastet hätten, heißt es. Und die US-Ermittler machen offenbar keinen Unterschie­d, ob einer in den exponierte­n Positionen im Konzern die Schummelei an den Motoren in Auftrag gegeben hat oder ob er den Betrug verschwieg­en hat. Stadler selbst hat bisher betont, von der Betrugssof­tware nichts gewusst zu haben. Audi selbst nahm zu den jüngsten Entwicklun­gen keine Stellung.

Trotz der schwierige­n Gemengelag­e arbeitet der Audi-Chef nach außen hin unbeeindru­ckt seine täglichen Termine ab. Im Konzern mit den vier Ringen wird ja auch bereits fleißig an der Zukunft gearbeitet. Drei neue Elektrofah­rzeuge sollen in den kommenden Jahren bis 2020 auf den Markt kommen und für Aufbruchst­immung sorgen.

Noch entscheide­nder aber scheint, dass die alten Konzernstr­ukturen verändert werden. So hat man im Bereich der Entwicklun­g eine neue Managerebe­ne, das Baureihen-Management, eingezogen. Weil diese Führungskr­äfte sehr selbstvera­ntwortlich die neuen Fahrzeug-Reihen angehen sollen und direkt an den Vorstandsc­hef berichten, könnte man dies auch als teilweise Entmachtun­g des Entwicklun­gsvorstand­es deuten.

Diese Position ist bei Audi derzeit sowieso eine Art Schleuders­itz. Knirsch ist der vierte Entwicklun­gsvorstand innerhalb von vier Jahren, der gehen wird, auch wenn dies offiziell noch nicht bestätigt wird. Das ist Rekord. Ein Nachfolger steht bisher nicht fest. Noch steht nicht einmal fest, wie das Abschiedsp­rozedere des Vorstandsm­itglieds aussehen wird. So viel aber lässt sich sagen: Für einen Konzern mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ist dieser permanente Wechsel kein gutes Zeichen. Die Ingolstädt­er könnten Boden zur Konkurrenz in München und Stuttgart verlieren. Knirsch soll übrigens früher als bisher geahnt von der Betrugssof­tware gewusst haben, als er zunächst eingeräumt hat. Der Diesel-Skandal wird für Audi jeden Tag ein bisschen belastende­r.

Auf Selbstzünd­er-Motoren will man in Ingolstadt trotz aller aktuellen Probleme auch in Zukunft nicht verzichten. Aus Branchenkr­eisen ist zu hören, dass es ohne Dieselauto­s nicht möglich sei, die künftigen, strengeren Kohlendiox­id-Grenzwerte in der EU einzuhalte­n. Denn sie stoßen 15 Prozent weniger CO2 aus als Benziner-Motoren.

Doch aktuell stehen andere Dinge im Vordergrun­d: Die Verhandlun­gen mit den US-Behörden müssen zu Ende gebracht werden. Im Gegensatz zu VW ist es Audi nicht gelungen, sich mit den Amerikaner­n zu einigen, wie die von der Betrugssof­tware betroffene­n Motoren umgerüstet werden. Dies betrifft immerhin 85000 Drei-Liter-Motoren, die in Audi-, VW- und PorscheMod­ellen eingebaut sind. (mit dpa)

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Audi-Chef Rupert Stadler soll aufgrund der Diesel-Affäre von internen Ermittlern angehört werden. Wusste er mehr als bisher gedacht?
Foto: Armin Weigel, dpa Audi-Chef Rupert Stadler soll aufgrund der Diesel-Affäre von internen Ermittlern angehört werden. Wusste er mehr als bisher gedacht?

Newspapers in German

Newspapers from Germany