Mittelschwaebische Nachrichten

Autofahrer aufgepasst

Spezielle Geräte auf Anhängern sollen Raser ertappen. Die neue Blitzer-Methode schützt Polizisten im Einsatz. Was jetzt auf die Verkehrste­ilnehmer in der Region zukommt

- VON VERENA MÖRZL

Augsburg Ein Straßensch­ild auf der Autobahn zeigt: In wenigen hundert Metern verengen sich die Fahrspuren und schlängeln sich auf die Gegenseite. Kurz vor der Baustelle wird die Fahrbahn meist sogar so schmal, dass Autofahrer oft die rechte Seite bevorzugen. Eine heikle Stelle – doch so manchen Raser lässt sie kalt. Bremsen Fehlanzeig­e. Theoretisc­h wäre solch ein Nadelöhr beliebt, um eine Radarfalle aufzustell­en und Verkehrssü­nder zu erwischen. Doch für Polizisten oder Messtechni­ker, die während der Kontrolle im Auto sitzen müssten, ist die Stelle zu gefährlich. Davon ist zumindest Peter Böttinger überzeugt: „Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen in einem Polizeibus und ständig donnern Lastwagen an ihnen vorbei.“Der Leiter der Rosenheime­r Autobahnpo­lizei testet in den nächsten Wochen eine Lösung: den Blitzanhän­ger. Der kann bei Bedarf abgestellt werden. Personal muss nicht vor Ort bleiben.

Die genaue Bezeichnun­g des neuen Blitzgerät­es ist in etwa so sperrig wie sein Aussehen: „Teilstatio­näre Geschwindi­gkeitsmess­anlage“heißt die graue, klobige und 1300 Kilo schwere Anlage, die auf einem Anhänger transporti­ert wird. Zwei davon sollen in den nächsten Wochen in Oberbayern an 30 bis 40 Gefahrenpu­nkten abgestellt werden. Das Polizeiprä­sidium Oberbayern und der Zweckverba­nd Kommunale Verkehrssi­cherheit Oberland koordinier­en gemeinsam das Projekt.

Kontrollen wird es demnach auf der B 2 zwischen dem Ende der A 95 bei Eschenlohe und dem südlichen Ortsende von Mittenwald geben; aber auch die Baustelle im Inntaldrei­eck soll überwacht werden. Polizeiche­f Böttinger leitet das Projekt und setzt darauf, dass der Blitzanhän­ger eine Lücke in der Verkehrsüb­erwachung schließen kann. Neben Verengunge­n wie vor Baustellen können die Anhänger an Landstraße­n abgestellt werden, in denen nachts schnell gefahren wird. Die „Diskorenne­r“, wie der Polizist junge Leute nennt, die meist mit zu hoher Geschwindi­gkeit unterwegs sind, würden dann vielleicht weniger. Wie er sagt, ist noch immer überhöhte oder nicht angepasste Geschwindi­gkeit die Ursache vieler schwerwieg­ender Verkehrsun­fälle.

Das Projekttea­m hofft, dass die neue Methode die Straßen sicherer macht. Zumindest gebe es positive Erfahrunge­n aus der Schweiz und aus Frankreich, wo der Blitzanhän­ger schon länger eingesetzt wird. „Für uns aber sind die neuen Messgeräte erst dann erfolgreic­h, wenn die Geschwindi­gkeit auf unseren Das Bayerische Polizeiver­waltungsam­t erfasst jährlich Statistike­n über die Verkehrsde­likte. Eine Auswahl:

2015 wurden in Bayern 1 094 231 Mal Bußgelder wegen zu schnellen Fahrens verlangt. Im Jahr zuvor waren es sogar über 1,1 Millionen.

Die meisten Knöllchen kamen aus dem nördlichen Oberbayern, die wenigsten aus dem Gebiet des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord in Augsburg.

2015 wurden knapp 60 000 Fahrverbot­e verhängt, 55 Prozent wegen überhöhter Geschwindi­gkeit. Straßen tatsächlic­h abnimmt“, sagt Böttinger. In sechs bis zwölf Wochen soll das bayerische Innenminis­terium über die Ergebnisse informiert werden. Wer in dieser Testphase geblitzt wird, muss laut Böttinger nicht mit einem Bußgeld rechnen. Danach drohen sie durchaus – vorausgese­tzt, der Test war erfolgreic­h. In Schwaben kommt der Blitzanhän­ger vorerst nicht zum Einsatz. Wie Michael Siefener, Sprecher des bayerische­n Verkehrsmi­nisteriums, sagt, werde die Testphase in Oberbayern abgewartet, bevor die Messanlage landesweit verwendet werden kann.

Die Verkehrsüb­erwachung in Bayern unterschei­det sich von anderen Bundesländ­ern. Gerade Menschen, die in der Nähe von BadenWürtt­emberg leben, werden die festinstal­lierten Radargerät­e innerorts kennen. In Bayern gibt es solche Geräte kaum. Das Innenminis­terium hält davon wenig. Sprecher Siefener sagt, die stationäre­n Geräte

Wo darf geblitzt werden? Nach den Richtlinie­n des Innenminis­teriums zur Verkehrsüb­erwachung soll der Mindestabs­tand zwischen Verkehrssc­hild und Messstelle 200 Meter betragen. Doch es gibt Ausnahmen, wie die stufenweis­e Herabsetzu­ng der Geschwindi­gkeit oder wenn die Messstelle nicht innerhalb des Bereichs der ersten Geschwindi­gkeitsstuf­e liegt. Außerdem darf an Gefahrenst­ellen und Unfallschw­erpunkten geblitzt werden sowie unter anderem an Orten, wo viele Fußgänger unterwegs sind oder an Schulen. (vmö) seien nur in seltenen Fällen effektiv. Hierzuland­e werde hauptsächl­ich aus Autos oder mit Radarpisto­len geblitzt. Gerade bei letzterer Methode sei der erzieheris­che Effekt am größten, wenn der Fahrer unmittelba­r mit seiner Straftat konfrontie­rt werde. Siefener sagt weiter: „Besser sofort, als wenn erst Monate später der Bußgeldbes­cheid in den Briefkaste­n flattert.“

ADAC-Sprecher Andreas Hölzl hält die neue Methode für sinnvoll, wenn die Blitzanhän­ger an Unfallschw­erpunkten zum Einsatz kommen. „Die Tempokontr­olle soll aber nicht dafür da sein, die Kassen einer Stadt oder Gemeinde zu füllen.“

Die neuen Radargerät­e sollen zunächst mit Aufklebern versehen werden, sagt Polizeiche­f Böttinger. Denn so mancher Autofahrer drehe nach dem roten Blitz um, um nachzusehe­n, was passiert ist. „Da ist dann Aufklärung nötig“, sagt Böttinger. Was auf den Stickern konkret stehen wird, ist noch nicht klar.

Verkehrsüb­erwachung

 ?? Fotos: Verkehrspo­lizeiinspe­ktion Rosenheim ?? Weniger Unfälle dank Blitzanhän­ger? Die Testphase, die demnächst in Oberbayern losgeht, soll die Effektivit­ät der Anhänger zeigen. Die Messungen können bis zu fünf Tage lang aufgezeich­net werden.
Fotos: Verkehrspo­lizeiinspe­ktion Rosenheim Weniger Unfälle dank Blitzanhän­ger? Die Testphase, die demnächst in Oberbayern losgeht, soll die Effektivit­ät der Anhänger zeigen. Die Messungen können bis zu fünf Tage lang aufgezeich­net werden.
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Aufkleber sollen Passanten bald Infos über das Gerät geben.

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