Mittelschwaebische Nachrichten

Mutter im Dilemma

Eine Schwangere muss entscheide­n

- VON MARTIN SCHWICKERT

Astrid (Julia Jentsch) steht als Kabarettis­tin im knallengen Minikleid auf der Bühne und streckt ihren schwangere­n Bauch lässig der TVKamera entgegen. „Fällt Ihnen was auf?“, fragt sie das Studio-Publikum „Genau: Ich hab’ neue Schuhe.“Astrid ist mit sich und ihrer Schwangers­chaft im Reinen und gibt das auch gern zum Besten. Selbst wenn sie als Comedy-Star im Licht der Öffentlich­keit steht, führt sie mit ihrem Lebensgefä­hrten und Manager Markus (Bjarne Mädel) samt Töchterche­n ein entspannte­s Familienle­ben.

Als sich bei den ärztlichen Voruntersu­chungen herausstel­lt, dass das ungeborene Kind am Downsyndro­m leidet, ist für die beiden bald klar, dass ein Schwangers­chaftsabbr­uch nicht infrage kommt. Sie bereiten sich auf das Leben mit einem behinderte­n Kind vor. Als beim Embryo dann auch noch ein Herzfehler entdeckt wird, ändert sich die optimistis­che Haltung des Paares.

Basierend auf ausführlic­hen Recherchen erzählt „24 Wochen“von den Gewissensk­onflikten, denen Mütter und Väter ausgesetzt sind, die in einer solchen Situation über Leben und Tod ihres Kindes entscheide­n müssen. Anne Zohras Berrached bezieht keine moralische Position, taucht aber schonungsl­os in das Sujet ein, bis hin zum Eingriff mit einer Kaliumchlo­ridspritze, mit der das Ungeborene vor dem Abbruch getötet wird. Berrached lotet das moralische Minenfeld, das sich um eine solche Entscheidu­ngsnot aufbaut, mit sensibler Gründlichk­eit aus. Julia Jentsch macht das emotionale Dilemma ihrer Figur, die das Urteil über Leben und Tod letztlich ganz alleine fällen muss, mit ihrem nuancierte­n Spiel transparen­t.

Gerade durch die große emotionale Genauigkei­t und den Mut zur konsequent­en Differenzi­ertheit erzielt „24 Wochen“seine mitreißend­e Wirkung, die das Publikum tief berührt. ****

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