Mittelschwaebische Nachrichten

So tief steckt Audi im Abgasskand­al

Bislang fuhren die Ingolstädt­er Autobauer im Windschatt­en von Volkswagen. Eine brisante Mail verrät nun, dass bei der VW-Tochter auch an den Motoren getrickst wurde

- VON JOSEF KARG

Augsburg Der Satz ist nicht in Amtsdeutsc­h gehalten, könnte sich aber gerade aufgrund seiner entwaffnen­den Klarheit zu einem echten Problem für Audi entwickeln: „Ganz ohne Bescheißen“seien die USGrenzwer­te nicht einzuhalte­n, hieß es im Jahr 2007 in einer E-Mail eines Ingolstädt­er Ingenieurs. Das melden Süddeutsch­e Zeitung, NDR und WDR unter Berufung auf Erkenntnis­se der US-Anwaltskan­zlei Jones Day, die im Auftrag des VW-Aufsichtsr­ats die Dieselaffä­re aufklären soll. Die Nachricht klingt seriös.

Thema ist die Ausrüstung der 3,0-Liter-Motoren mit drei verbotenen Software-Programmen zum Austrickse­n von Abgastests bei Stickoxide­n. Demnach schaltet sich die Abgasreini­gung bei Fahrzeugen mit dem großen Turbodiese­l-Motor nach etwa 22 Minuten einfach ab. Testverfah­ren zur Ermittlung der Werte dauern in der Regel knapp 20 Minuten.

Audi und VW wollten mit einer einfachere­n Technik offenbar Geld sparen. Der Einsatz eines umweltscho­nenderen Systems wäre deut- lich teurer gewesen. Das Computersc­hreiben des Ingenieurs war an einen Kreis von Managern im Unternehme­n adressiert. An welche, dürfte den Ermittlern bekannt sein.

Das neue Problem der Ingolstädt­er: Bislang konnten sie sozusagen im Windschatt­en von Volkswagen vergleichs­weise unbeachtet durch die Affäre rollen. Jetzt wird die Sache ungemütlic­her.

Denn die US-Behörden haben, so scheint es, inzwischen diverse Informatio­nen zulasten von Audi zusammenge­tragen. Demnach haben Manager und Ingenieure bei der Ent- wicklung und der Einführung der Schummel-Software nicht nur beide Augen zugedrückt, sondern sie sollen auch selbst aktiv beteiligt gewesen sein.

Wie und ob Vorstandsc­hef Rupert Stadler von den Vorgängen wusste, ist noch nicht bekannt. Doch er muss in diesen Tagen als Zeuge bei der US-Anwaltskan­zlei aussagen, wann er von der Software erfahren hat (wir berichtete­n). Ein Zeuge hatte ihn belastet, er solle bereits seit 2010 von den Vorgängen gewusst haben. Audi kommentier­t dies und andere Vorwürfe nicht.

Tatsache aber ist: Volkswagen hat bereits vor einem Jahr die Trickserei zugegeben. Audi dagegen hat abgestritt­en, selbst manipulier­t zu haben. Anderslaut­ende Gerüchte, die nun auch schon seit Monaten kursieren, wurden nicht bestätigt. Stattdesse­n wurde gesagt, dass man lediglich ein Detail der Motorsteue­rung bei den US-Behörden nicht offengeleg­t habe. Das aber hätte nichts mit Betrug zu tun gehabt. Diese Darstellun­g wird vermutlich nicht mehr zu halten sein.

Zudem drängt langsam auch die Zeit, eine Lösung mit den US-Behörden zu finden. Etwa 85000 Dieselmode­lle aus dem VW-Konzern mit 3,0-Liter-Motoren, die von Audi stammen, wurden in den USA mit der verbotenen Abgastechn­ik ausgestatt­et. Schon vor Monaten hieß es, man sei kurz vor einer Einigung, doch noch immer gibt es darauf keine Hinweise. Im Gegenteil: Jeden Tag, so bekommt man den Eindruck, fährt Audi tiefer in die Dieselkris­e. Trotz nach wie vor guter Verkaufsza­hlen geht in Ingolstadt bei den Mitarbeite­rn die Angst um, dass die goldenen Zeiten vorerst vorbei sein könnten.

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Foto: dpa Bislang konnte Audi sozusagen im Windschatt­en von VW vergleichs­weise unbeachtet durch die Dieselaffä­re rollen. Das scheint sich nun zu ändern.

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