Mittelschwaebische Nachrichten

Feuer beim Festival der Nationen

Auftakt mit Fazil Say in Bad Wörishofen

- VON MANFRED ENGELHARDT

Bad Wörishofen Seit mehr als zwei Jahrzehnte­n ist es aus der schwäbisch­en Kulturland­schaft nicht mehr wegzudenke­n: Auch 2016 freut sich Bad Wörishofen wieder über sein „Festival der Nationen“, das mit einem bemerkensw­erten Konzert eröffnet wurde – unter Teilnahme zahlreiche­r bayerische­r Vertreter aus Politik, Wirtschaft sowie Kultur und nicht zuletzt unter Teilnahme eines begeistert­en Publikums. Immer war das Festival beharrlich auf der Suche nach eigener Identität, die es von anderen Prestige-Events unterschei­det. Und hat sie längst gefunden: Die Balance aus Auftritten von Weltstars und Förderproj­ekten für die Jüngsten (u. a. das Vivaldi gewidmete Projekt „Classic for Kids“mit dem jungen vbw-Festivalor­chester) gefällt auch den Größen. Sie kommen gerne, sei es Diana Damrau, die im dichten Terminkale­nder zwei Auftritte Bad Wörishofen gewidmet hat, sei es Klaus Florian Vogt, sei es Elina Garanca.

Und so wird auch der renommiert­e Pianist Fazil Say, der jetzt im Mittelpunk­t des Eröffnungs­konzertes stand, drei Jahre als „Artist in Residence“das Festival mitprägen. Darauf darf man gespannt sein, denn was Say bietet, ist hinreißend. Dieser Künstler erregt Aufsehen als Virtuose und als Komponist. Mit dem Kammerorch­ester des BR-Sinfonieor­chesters entfachte er „Feuer“von der Klassik bis zur Moderne. Mozarts Klavierkon­zert KV 467 entfaltete unter seinen Händen, begleitet von diesem Elite-Klangkörpe­r, Schönheit und Emotionen. Wenn Say mit den im Stehen spielenden BR-Musikern Kontakt aufnimmt, sich vom federnden Orchestert­on mitnehmen lässt, ereignet sich ein Erlebnis: Say macht die Diskussion, ob man Mozart historisch korrekt oder traditione­ll gediegen spielen sollte, überflüssi­g. Kraft und Feinheit gehen ineinander. Die Innigkeit des Andante, populär geworden als Filmmusik zu Bo Widerbergs Melodram „Elvira Madigan“, gerät mit Say zu ehrlicher Poesie.

Eine andere Welt tat sich in der Partnersch­aft Say/BR danach auf: Schostakow­itschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorc­hester entfesselt­e einen Drive, eine unverschäm­t entzückend­e Sinnlichke­it, die Publikum und Künstler enthusiast­isch genossen. Das geniale Spiel des Russen mit virtuos ausgekoste­ter Zirkus-Atmosphäre, deftigem musikantis­chen Auftrumpfe­n, höchstem Raffinemen­t der Stimmführu­ng, Parodie und Zitat klassische­r Formen, ist eine aufregende Mischung. Und wenn ein Ausnahme-Trompeter wie Gábor Boldoczki mit von der Partie ist, ist das lustvolle Ereignis perfekt. Die Zugabe, Schostakow­itschs berühmtmel­ancholisch­er Walzer, genüsslich ausgespiel­t, setzte noch eins drauf.

Beschlosse­n wurde der Abend mit Mozarts Linzer Sinfonie. Hier schien sich das Ensemble von den Turbulenze­n Schostakow­itschs erst erholen zu müssen. Dann entfaltete sich Mozart’sche Bildkraft. Das „Festival der Nationen“– eine Stätte der Emotionen.

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Foto: Bernhard Ledermann Pianist Fazil Say (l.) und Trompeter Gábor Boldoczki.

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