Mittelschwaebische Nachrichten
Dialekte gleichen sich an
Früher reichten wenige Worte, um einen Gesprächspartner zu verorten. Forscher sagen: Diese Zeiten sind vorbei. Einer spricht sogar von einem kulturellen Verlust
Erlangen Sprachforscher sehen die Dialektvielfalt in Deutschland bedroht. Zwar würden viele Menschen auch in Zukunft Mundart sprechen. Lokale Dialekte, die sich oft schon von einem zum anderen Ort unterschieden, würden sich aber immer mehr angleichen, sagt der Dialektforscher Sebastian Kürschner aus dem mittelfränkischen Erlangen.
Bei einer internationalen Konferenz, die von nächsten Mittwoch bis Samstag dauert, wollen 90 Fachleute in Erlangen unter anderem die Entwicklung von Dialekten erörtern. „Wir haben beispielsweise bei Untersuchungen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg festgestellt: Statt der früher häufig lokalen Dialekte gibt es dort fast nur noch großräumige Dialekte. Das im Westen von Rheinland-Pfalz und Luxemburg gesprochene Moselfränkisch und das eher im Süden und Osten gesprochene Rheinfränkisch“, berichtet der Professor für Variationslinguistik und Sprachkontaktforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg. Neben der Aussprache gleiche sich dort zunehmend auch der Wortschatz an.
In manchen Regionen, vor allem in den von Großstädten geprägten, sind Dialekte nach Ansicht des Sprachwissenschaftlers ganz auf dem Rückzug: „Dort verschwinden die Dialekte natürlich nicht von einem Tag auf den anderen. Aber tiefe Dialektsprecher findet man dort immer seltener.“Wie Kürschner be- tont, haben Dialekte in Süddeutschland einen stärkeren Status als im Norden. Er nennt ein konkretes Beispiel: „Die Altbayern sprechen ihren Dialekt mit einem größeren Selbstbewusstsein als Bundesbürger in anderen Regionen.“
Die Wertschätzung eines Dialekts hänge stark davon ab, wie die Bevölkerung, die ihn benutzt, zu ihrer Heimatmundart stehe, sagt Kürschner. Dass in Deutschland – anders als etwa in der Schweiz – die regionale Mundart auf dem Rückzug sei, führt er vor allem auf die heute im Schnitt immer längere Schulzeit zurück. Dort spiele die standardisierte Schriftsprache eine große Rolle, dadurch würden immer mehr junge Leute nur noch Hochdeutsch sprezwei chen, statt ihre regionale Heimatmundart zu pflegen. „Wir konnten feststellen: Bei den jungen Leuten nimmt die Zahl der Dialektsprecher ab – in der Stadt noch stärker als auf dem Land“, sagt der Forscher.
Der Hochschullehrer sieht in der schwindenden Bedeutung des Dialekts einen kulturellen Verlust. „Denn Dialekt hat viel mit regionaler Kultur zu tun. Und wenn die spezielle Ausdrucksweise einer Region wegfällt, geht damit natürlich auch ein Teil der regionalen Kultur verloren“, unterstreicht Kürschner. Ideal findet er es, wenn Menschen sich in beiden Sprachwelten zu Hause fühlen, indem sie neben der Hochsprache auch weiterhin ihren Heimatdialekt pflegen. (dpa)