Mittelschwaebische Nachrichten
Eins greift ins andere
Nur mal angenommen, Franck Ribéry hätte für seinen beherzten Zwei-Finger-Kniff an die Wange von Nicolai Müller, das für die einen Bartpflege, für andere versuchte Körperverletzung war, die in solchen Fällen mögliche Rote Karte gesehen – es wäre vieles an diesem und den nächsten Tagen, ja vielleicht auch den folgenden Wochen, Monaten und Jahren anders gelaufen. Ganz sicher ist: Der französische Rüpel, dessen fußballerische Klasse in direkt umgekehrtem Verhältnis zu seinen Manieren steht, hätte Minuten später nicht einen Querpass auf den Kollegen Joshua Kimmich spielen können. Natürlich hätte Kimmich damit auch nicht jenen Ball ins Hamburger Tor befördern können, der Bruno Labbadia das Ende als HSVTrainer bereitet hat.
Der Sportvorstand hätte sich schwer damit getan, dem Trainer, der Hamburg gerade gegen die übermächtigen Bayern zum Punktgewinn geführt hat, den Stuhl vor die Tür zu stellen. Labbadia wäre noch heute im Amt, hätte in den nächsten Wochen möglicherweise das Bayern-Remis zur Erfolgsserie ausgebaut, wäre in die Europa League eingezogen und hätte in ein paar Jahren das wiederholt, was der Klub 1983 schon geschafft hat – die Königsklasse gewonnen. So greift manchmal eins ins andere. Oder auch nicht – weil das Urteil über Labbadia schon vor dem Bayern-Spiel gesprochen war. Es abzuwenden, dazu hatte der 48-Jährige in den vorausgegangenen eineinhalb Jahren Gelegenheit. Den HSV weiterzuentwickeln ist ihm nicht gelungen. Zuletzt spendierte HSV-Investor Kühne 30 Millionen Euro für Transfers. Wie es derzeit aussieht, hätte er das Geld auch in der Alster versenken können.
Ein Punkt von zwölf möglichen hat in Hamburg die Sorge geschürt, es könne auf eine zuletzt mittelmäßige Saison wieder eine quälende folgen. Zur sportlichen Misere kamen Differenzen mit der Klubspitze und die Haltung Labbadias, dem Rauswurf erhobenen Hauptes zu begegnen. Eine explosive Mischung, die jeden Trainer von der Bank fegt.
Nicht alle aber fliegen so aufrecht wie Labbadia, der nach dem Spiel gelassen den Blick auf die Mannschaft und deren starken Auftritt gegen den FC Bayern gelenkt hat. Geradezu peinlich war dagegen der Eiertanz von Sportvorstand Dietmar Beiersdorfer. Im Grunde aber war alles wie immer. Vorhersehbar, gelegentlich, wie im vorliegenden Fall, ein wenig berührend, und doch immer erstaunlich. Nur, dass dieses Mal Franck Ribéry seine Hand im Spiel hatte.