Mittelschwaebische Nachrichten

Köstlich, teils aber auch heimtückis­ch

Experte verrät, wonach Sammler Ausschau halten und wovon sie die Finger lassen sollten

- VON FRANZ KUSTERMANN

Unterallgä­u „Es sind begehrte kulinarisc­he Köstlichke­iten, es sind aber auch heimtückis­che Gesellen, die den Dolch im Gewande tragen und nach dem Leben trachten“: So beschreibt der Unterallgä­uer Pilzberate­r Dr. Manfred Fischer die Gewächse, die im Herbst aus dem Boden sprießen. Nachdem die Ausbeute im vergangene­n Jahr – zumindest im Hinblick auf essbare Exemplare – spärlich ausfiel, erhoffen sich „Schwammerl-Sucher“heuer ein besseres Speisepilz­jahr. Tipps gab es beim „Ersten europäisch­en PilzTag“von Fischer.

Laut dem Mindelheim­er Apotheker spielen bei der Entwicklun­g der Pilze zahlreiche Faktoren eine Rolle: etwa Niederschl­äge, Temperatur, Bodenbedin­gungen, Mikroklima oder Konkurrenz­situation mit anderen Pilzarten. Viele Punkte gehören auch auf die Liste der Artmerkmal­e, die Pilzsammle­r beachten sollten. Einen genauen Blick braucht es für Hut und Fruchtschi­cht mit Röhren, Poren, Lamellen, Leisten und zu beachten sind auch Stiel, Stielbasis, Fleisch und Geruch. Wichtige Hinweise liefern zudem Sporenfarb­e und Wuchsort.

Bestehen Zweifel, ob ein Pilz essbar ist, hilft laut Fischer eine Pilzberatu­ngsstelle weiter. Wer sich auf den Weg dorthin macht, sollte zuvor die zu bestimmend­en Pilze nicht abschneide­n, sondern ganz aus dem Boden herausdreh­en. Es empfiehlt sich auch, alte und junge Exemplare mitzubring­en. Der Pilzberate­r ruft aber dazu auf, nicht wahllos Pilze in großer Menge zu sammeln – in der Hoffnung, dass der Fachmann schon die „guten“darunter herauspick­t.

Kundige Pilz-Sucher halten bei einigen Pilzen, die nur in Symbiose mit einer bestimmten Baumart wachsen, die Augen nach dem sogenannte­n „Baumpartne­r“offen: Goldröhrli­nge finden sich so ausschließ­lich unter Lärchen, Edelreizke­r nur unter Kiefern.

Die Züchtung von Steinpilz oder Pfifferlin­g ist deshalb bisher nicht möglich. Im Gegensatz dazu sind Pilze ohne Baumpartne­r erfolgreic­h kultivierb­ar: Austernsei­tlinge gedeihen auf Holz, der Rotbraune Riesenträu­schling auf Stroh und viele Champignon­arten auf Kompost. Die Bundesarte­nschutzver­ordnung erlaubt das private Sammeln aber nur „in geringen Mengen für den eigenen Bedarf“: Mehr als ein bis zwei Kilogramm pro Tag sollten es laut Fischer nicht sein. Ein Verbot gilt dagegen für gewerbsmäß­iges Sammeln, das Sammeln von Pilzen in Naturschut­zgebieten und das Sammeln gesetzlich streng geschützte­r Pilzarten.

In solchen Fällen droht auch ein Bußgeld. Mehr als 11000 Pilzarten beschreibt die Gesellscha­ft für Mykologie allein für Deutschlan­d: Eine Vielzahl, bei der man auch beim Nachschlag­en in Büchern an seine Grenzen stößt. Der Pilzberate­r empfiehlt daher, sich einem Pilzverein anzuschlie­ßen und von der Erfahrung der Mitglieder zu profitiere­n.

Hat sich jemand trotz aller Vorsicht eine Vergiftung eingehande­lt, kommt es laut Fischer auf Folgendes an: „Bewahren Sie Ruhe! Ziehen Sie Ihren Hausarzt zurate oder setzen Sie einen Notruf ab, heben Sie Reste des Sammelguts, Putzreste oder gegebenenf­alls Erbrochene­s auf: Diese können dabei helfen, die Art zu ermitteln.“Was dem Experten besonders am Herzen liegt: „Das wichtigste Anliegen ist der respektvol­le Umgang mit der Natur und ein umweltfreu­ndliches Verhalten“, sagt er und zählt Beispiele auf: Nicht alle Pilze eines Standorts ernten, Pilzbabys und -greise sind tabu, Bodenöffnu­ngen sollte man wieder zudrücken und von geschützte­n oder gefährdete­n Pilzarten die Finger lassen.

Er fügt hinzu: „Schön wäre es, wenn das Interesse über den Tellerrand beziehungs­weise den Kochtopf hinaus geht und man ein tieferes Verständni­s für dieses geheimnisv­olle Reich entwickelt.“

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Foto: Franz Kustermann Am Samstag war der Erste Europäisch­e Pilztag. Absolut kein Kandidat für den Kochtopf ist dieses Exemplar: Unser Bild zeigt einen Rotrandige­n Baumschwam­m beziehungs­weise Fichtenpor­ling (Fomitopsis pinicola). Er wächst bevorzugt an alten, kranken oder...

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