Mittelschwaebische Nachrichten

Das Schlimmste ist ein Flüchtling, der sich nicht integriert

Der CSU-Politiker Andreas Scheuer versteht Integratio­n offenbar vor allem als Abschiebe-Hindernis. Er hat mit den falschen Worten eine richtige Frage aufgeworfe­n

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger-allgemeine.de

Wie muss er denn nun sein, der perfekte Zuwanderer? Bisher hieß es ja immer, wer in Deutschlan­d bleiben will, sollte unsere Sprache lernen und sich gut in die Gesellscha­ft integriere­n. Wenn einer also zum Beispiel im örtlichen Sportverei­n aktiv ist, gut deutsch spricht und vielleicht sogar noch am Sonntag in die Kirche geht, dann galt er als guter Ausländer. Für Andreas Scheuer nicht. „Das Schlimmste ist ein fußballspi­elender, ministrier­ender Senegalese“, sagte der CSU-Generalsek­retär und erklärt auch gleich warum: „Weil den wirst du nie wieder abschieben.“So populistis­ch diese Aussage zweifellos ist, wäre es doch zu einfach, sie ausschließ­lich in der Akte „Geistige Brandstift­ung“abzuheften.

Denn Scheuer spricht – wenn auch verstörend plump – einen wunden Punkt an: Was passiert mit Flüchtling­en, die alles dafür tun, in unserem Land anzukommen, formal aber keine Chance auf Asyl haben? In vielen Gemeinden gibt es solche Fälle. Manchmal kämpfen am Ende ganze Dörfer dafür, dass eine Flüchtling­sfamilie doch bleiben darf – weil sie eben längst zur Gemeinscha­ft gehört.

Wer Integratio­n nicht mehr als Leistung, sondern nur noch als lästiges Abschiebe-Hindernis versteht, sendet eine katastroph­ale Botschaft. Denn eines ist doch völlig klar: Wer sich nicht integriert, lebt neben uns her. In einer Parallelge­sellschaft. Ohne Perspektiv­e, ohne Arbeit. Wer sich in einem fremden Land ausgrenzt oder ausgegrenz­t wird, ist ein leicht verführbar­es Opfer von Radikalen oder Terroriste­n. Wer sich nicht integriert, kann damit zur Gefahr für unsere Gesellscha­ft werden – ganz im Gegensatz zum „fußballspi­elenden, ministrier­enden Senegalese­n“.

Nur was lernen wir daraus? Vor allem eines: Asylverfah­ren dauern in Deutschlan­d immer noch viel zu lang. Es kann doch nicht sein, dass jemand, der von Anfang an keine Chance auf ein dauerhafte­s Bleiberech­t hat, jahrelang auf eine Entscheidu­ng wartet. Asylbewerb­er, deren Anträge abgelehnt werden, müssen schnell Gewissheit bekommen und das Land dann auch – wenn möglich – bald wieder verlassen. Das klingt hart, aber die derzeitige Praxis ist ja auch gegenüber den Betroffene­n unfair. Und sie kratzt an der Akzeptanz für die Flüchtling­spolitik in der Bevölkerun­g. Denn viele Bürger fragen sich: Wozu brauchen wir überhaupt Gesetze, wenn so viele abgelehnte Asylbewerb­er sowieso hier bleiben? Und was ist das denn für eine Logik, wenn Leute, die sich während der ganzen Warterei gut eingelebt haben, dann Jahre später doch noch abgeschobe­n werden sollen?

Andreas Scheuer hat mit den falschen Worten eine richtige Frage aufgeworfe­n: Was bedeutet Integratio­n für uns und was erwarten wir von den Flüchtling­en? Darauf kann es nur eine Antwort geben: Wir müssen alles dafür tun, dass die Menschen, die tatsächlic­h Asyl bekommen, möglichst schnell ein Teil unserer Gesellscha­ft werden. Dass sie Deutschlan­d eines Tages sogar als zweite Heimat verstehen. Dabei sind selbstvers­tändlich beide Seiten gefordert.

Und was ist dabei, ein Kontingent für Härtefälle wie Scheuers „schlimmen Senegalese­n“oder Asylbewerb­er, die nicht abgeschobe­n werden können, zu schaffen? Das wäre ein Signal an alle Neuankömml­inge. Ein Signal, dass es sich lohnt, sich auf dieses Land und seine Kultur einzulasse­n. Nur so kann Deutschlan­d die Flüchtling­skrise langfristi­g bewältigen.

Ende August schrieb ein Politiker auf Twitter: „Nur Einwandere­r, die sich gut integriert haben und eindeutig zu unseren Werten bekennen, können deutsche Staatsbürg­erschaft erhalten.“Der Mann heißt Andreas Scheuer. Und in diesem Fall hatte er Recht.

Die bisherige Politik bringt viele Bürger ins Grübeln

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