Mittelschwaebische Nachrichten

Air Berlin droht Notlandung

Nachdem die Fluggesell­schaft jahrelang rote Zahlen geschriebe­n hat, sollen jetzt Flugzeuge veräußert und Mitarbeite­r entlassen werden. Es war ein Sinkflug mit Ankündigun­g

- VON MARCEL ROTHER

Augsburg Es sind turbulente Zeiten für die zweitgrößt­e deutsche Fluggesell­schaft Air Berlin: Der Großaktion­är Etihad will die hoch verschulde­te Firma auf die Hälfte schrumpfen. Am Ende sollen von der rund 140 Flugzeuge großen Air Berlin-Flotte nur noch etwa 70 Flugzeuge übrig bleiben. Außerdem soll die Zahl der Arbeitsplä­tze in der Verwaltung halbiert werden. Nach Informatio­nen der Süddeutsch­en Zeitung werden voraussich­tlich 1000 von insgesamt 8600 Mitarbeite­rn entlassen.

Für den Luftfahrte­xperten Cord Schellenbe­rg kommen die geplanten Veränderun­gen wenig überrasche­nd. „Air Berlin ist seit Jahren auf einem schwierige­n wirtschaft­lichen Kurs unterwegs“, sagt er. Das Problem sei, dass Air Berlin weder eine echte Billigflug­linie noch eine Premium-Airline sei. Während Billigflug­gesellscha­ften wie Ryanair und Easyjet vorwiegend auf Internetbu­chungen setzten und eine schlanke Unternehme­nsstruktur aufwiesen, sei Air Berlin durch Zukäufe in der Vergangenh­eit unflexibel geworden. Zusammen mit dem Anteilseig­ner Etihad, der Air Berlin dazu nutzt, Langstreck­enflüge in die Vereinigte­n Arabischen Emirate anzubieten, sei eine komplexe Unternehme­nsstruktur entstanden, die den Flugbetrie­b ineffizien­t gemacht habe.

Bleiben soll davon in Zukunft wenig: rund 70 Jets, einige Fernstreck­en, der Drehkreuz-Verkehr in Berlin und Düsseldorf sowie die Zubringerf­lüge nach Abu Dhabi. Der geplante Weg, Stellen abzubauen und Flugzeuge sowohl an die Lufthansat­ochter Eurowings sowie an die deutsche Fluggesell­schaft Tuifly abzugeben, überzeugt LuftfahrtB­erater Gerald Wissel nicht: „Die Europa-Strategie der Etihad ist gescheiter­t.“Mit den Zubringerf­lügen nach Abu Dhabi wäre auch eine geschrumpf­te Air Berlin „nicht zukunftsfä­hig“. Etihad handele nicht strategisc­h, sondern aus reiner Verzweiflu­ng.

Ganz so pessimisti­sch sieht Luftfahrt-Experte Schellenbe­rg die Lage nicht. Zum einen sei es für Air Berlin eine Chance, sich zu verschlank­en, außerdem könnten die deutschen Fluggesell­schaften Eurowings und Tuifly durch die geplanten Fusionen für den Wettbewerb mit internatio­nalen Konkurrent­en gestärkt werden. Ein Ende der Billigflug­linien sieht Schellenbe­rg ebenfalls nicht kommen. „Ryanair und Easyjet bestellen bei Boeing und Airbus Flugzeuge quasi im Hunderterp­ack – die müssen schließlic­h irgendwo eingesetzt werden.“Zudem hätten Ryanair und Lufthansa angekündig­t, die Preise in Zukunft sogar noch senken zu wollen. Dadurch sollen Kaufanreiz­e geschaffen werden, unter anderem, weil die Menschen nach den Anschlägen in Belgien oder Frankreich zurückhalt­ender seien, was Flugreisen betreffe.

Für die Kunden könnte das in Zukunft ein Mehr an Auswahl bedeuten. „Nicht nur der Service und die Reiseziele werden vielfältig­er, sondern auch die Auswahl an Flughäfen, von denen aus Billigflug­linien starten“, sagt Schellenbe­rg. Demzufolge würden Kunden langfristi­g nicht mehr nur von kleinen Flughäfen wie Memmingen, Hahn und Weeze günstig fliegen können, sondern auch von Köln, Bonn und München. Denn: „Etablierte Fluggesell­schaften und Billigflug­linien werden sich auf Dauer angleichen, ist der Experte überzeugt. Speziell auf innereurop­äischen Flügen würden Billiganbi­eter den Premiumges­ellschafte­n schon jetzt kaum mehr in etwas nachstehen. (mit dpa)

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Foto: imago stock&people Die goldenen Zeiten, in denen Air Berlin mit günstigen Flügen verdiente, sind vorbei. Die Fluggesell­schaft steckt tief in den roten Zahlen. Der Großaktion­är Etihad hat dem Unternehme­n eine radikale Schrumpfku­r verordnet, um einen kompletten Absturz zu...

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