Mittelschwaebische Nachrichten
Bei Audi knirscht es im Getriebe
Mit Stefan Knirsch muss beim Ingolstädter Autohersteller der vierte Entwicklungsvorstand in Folge den Posten vorzeitig räumen
Augsburg Eine zu lange Kontinuität an entscheidenden Positionen kann für ein Unternehmen lähmend sein. Zu viel Fluktuation ist jedoch auch kein gutes Zeichen. Jetzt ist es offiziell, was unsere Zeitung bereits vor einer Woche berichtete: Audi hat sich von Technikvorstand Stefan Knirsch getrennt. Der 50-Jährige, der seinen Posten erst im Januar angetreten hatte, ist der vierte Entwicklungschef in vier Jahren, der seinen Posten räumen musste.
Wie der Ingolstädter Autohersteller gestern offiziell mitteilte, legt Knirsch „seine Funktion mit sofortiger Wirkung nieder und verlässt das Unternehmen im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat“. Er bekommt offenbar noch eine Abfindung für die Zeit, in der er laut Vertrag nicht zu einem anderen Unternehmen in der Autobranche wechseln darf.
Offiziell wurden keine Gründe genannt. Im Umfeld des VW-Konzerns wurde jedoch unserer Zeitung bestätigt, dass die US-Kanzlei Jones Day bei ihren Ermittlungen zum Dieselskandal im Auftrag des VWAufsichtsrats Belege gefunden habe, die Knirsch massiv belasteten.
Im Grunde geht es dabei darum, dass der Manager per Unterschrift bestätigt hat, er habe erst im Herbst 2015 von den Manipulationen an den Dieselmotoren erfahren. Inzwischen sind nach Informationen unserer Zeitung Dokumente aufgetaucht, die das widerlegen. Zudem hätten auch Mitarbeiter bestätigt, dass er deutlich früher informiert gewesen sei. Audi-Gesamtbetriebsratschef und Aufsichtsrat Peter Mosch sagte, nach den ersten Erkenntnissen der Aufklärung gebe es mit Knirsch keine gemeinsame Vertrauensbasis mehr, die eine weitere Zusammenarbeit rechtfertige.
Knirsch war mit Unterbrechungen seit 1990 bei Audi und Porsche tätig, seit 2013 hatte er die Motorenentwicklung der Ingolstädter VWTochter geleitet. Der Techniker war im Dezember als Nachfolger des Audi-Entwicklungsvorstands Ulrich Hackenberg berufen worden, der im Zuge der Dieselkrise abgelöst wurde. Der VW-Mann wiederum war Wolfgang Dürheimer gefolgt. Dessen Pläne stießen bei den AudiMitarbeitern auf wenig Akzeptanz. Davor hatte man Michael Dick in den Ruhestand geschickt, weil er nach Meinung der Konzernspitze für die schleppende Entwicklung verantwortlich gewesen ist.
Konzernchef Rupert Stadler dagegen kann nun offenbar aufatmen. Nach ersten Informationen ist seine Zeugenbefragung bei Jones Day für ihn positiv ausgefallen. Vorwürfe, er habe ebenfalls bereits seit Jahren von den Manipulationen an Dieselmotoren gewusst, haben sich demnach nicht bestätigt. Einen Nachfolger für Knirsch hat Audi noch nicht genannt. Kommissarisch übernimmt dessen bisheriger Stellvertreter Horst Glaser die Leitung.