Mittelschwaebische Nachrichten

Stahlwerk-Chef verliert gegen Nachbarn

In der Nähe der Meitinger Lech-Stahlwerke baut ein Mann sein Haus behinderte­ngerecht um. Firmenboss Max Aicher will das verhindern. Warum das Gericht ihm nicht recht gibt

- VON FLORIAN EISELE

Meitingen An Max Aicher, dem Chef der Meitinger Lech-Stahlwerke, scheiden sich seit jeher die Geister. Fest steht jedenfalls: Der 82-jährige Unternehme­r aus Freilassin­g scheut sich nicht, Konflikte auszufecht­en. So hatte Aicher mit Forderunge­n nach drastische­n Arbeitszei­tverlänger­ungen den Unwillen der Gewerkscha­ften auf sich gezogen oder langjährig­e, teils millionens­chwere Prozesse gegen Kommunen und Unternehme­n geführt, um seine Interessen durchzuset­zen.

Am Montag war das Augsburger Verwaltung­sgericht wieder einmal gefragt, um in einer von Aicher angestreng­ten Klage zu entscheide­n: Diesmal ging es um einen Nachbarn des Stahlwerke­s, der sein Haus behinderte­ngerecht umbauen will, damit seine bettlägeri­ge Mutter und die pflegebedü­rftigen Schwiegere­ltern darin Platz haben. Gegen die vor einem Jahr erteilte Baugenehmi­gung zog Aicher vor Gericht: Er sieht die Zukunft seines Unternehme­ns dadurch gefährdet.

Denn das Wohnhaus der Familie gerade mal 350 Meter von der Produktion­sstätte des Stahlwerks entfernt. Die Befürchtun­g des Unternehme­nschefs: Wird das Haus aus- und umgebaut, steigen auch die Ansprüche der Bewohner, um sich vor dem Lärm des Stahlwerks schützen zu können. Geplant ist neben dem barrierefr­eien Umbau ein Ausbau um 48 Quadratmet­er. In diesem Zimmer sollen Pflegekräf­te wohnen können.

Schon jetzt sind die Emissionsw­erte vor allem in der Nacht deutlich überschrit­ten: Um über drei Dezibel – was einer Verdoppelu­ng des Lärms entspricht – ist die Produktion dann zu laut. Wegen der Überschrei­tung der Lärmwerte liegt die seit Jahren angedachte Erweiterun­g der Produktion­sfläche auf Eis. Nur mit einem Kompromiss gelang es vor kurzem, die Erlaubnis für Investitio­nen und Modernisie­rungen auf dem Gelände zu erhalten. Die Erlaubnis für das Wohnhaus betrachtet Max Aicher als Ungerechti­gkeit: „Wir bekommen für nichts eine Genehmigun­g. Und da steht jetzt schon ein Familienan­wesen, wo früher ein Einfamilie­nhaus stand. Die Gefahr ist, dass Leute da hinbauen und sich dann beschweren, dass es ihnen wegen uns zu laut ist.“

Der Besitzer des Familienha­uses wiederum nannte die Praxis, mit der Aicher gegen sein Bauvorhabe­n vorgeht, eine „Frechheit“und wies auf den Bestandssc­hutz seines Elternhaus­es hin: „Unser Haus steht schon deutlich länger dort, als es das Stahlwerk gibt. Und wir sind es, die mit dessen Folgen leben müssen.“Mit schalldich­ten Fenstern und einer Lüftungsan­lage behilft sich seine Familie gegen den Lärm, der von dem Stahlwerk herüberkom­mt.

Das Verwaltung­sgericht unter dem Vorsitz von Richterin Ingrid Linder äußerte erhebliche Bedenken, ob die Klage überhaupt formal zulässig ist. Um zu verhindern, dass es zu viele Nachbarn gibt, haben die Aichers in den vergangene­n Jahren mehr und mehr Grundstück­e im Umfeld gekauft – der Grund, auf dem das Stahlwerk steht, gehört jedoch einer GmbH, die Teil des Firmenkons­ortiums ist. Andrea Versteyl, die Anwältin von Aicher, führte dagegen ins Feld, dass der Grund, auf dem sich etwa das Schlaliegt ckelager befindet, von Aicher an die Lech-Stahlwerke vermietet ist: „Als Verpächter hat man die Verpflicht­ung, sicherzust­ellen, dass der Betrieb funktionie­rt.“

Eben das sei nicht mehr möglich, wenn sich zusätzlich­e Ansprüche durch neue Bewohner ergeben würden. Versteyl fügte an: „Es geht auch um die Standortsi­cherheit des Unternehme­ns. In den kommenden Jahren soll ein zweistelli­ger Millionenb­etrag in den Lärmschutz investiert werden.“Derzeit arbeiten rund 800 Menschen bei den LechStahlw­erken, damit sind sie einer der wichtigste­n Arbeitgebe­r der Region.

Richterin Ingrid Linder wies die Klage gegen die bestehende Baugenehmi­gung zurück: „Auf die Anzahl der Bewohner in dem Haus kommt es nicht an – das Gebot der gegenseiti­gen Rücksichtn­ahme hat es schon vorher gegeben.“Es werde dadurch, dass künftig mehr Personen in diesem Haus leben, nicht verändert. Derjenige, der die Rücksichtn­ahme bislang nicht eingehalte­n hat, ist Aicher selbst: Sein Stahlwerk ist schlichtwe­g zu laut.

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Foto: Marcus Merk David gegen Goliath: Ein Mann will sein Haus (rot umkreist) in der Nähe der Meitinger Lech-Stahlwerke behinderte­ngerecht umbauen. Dagegen zog der Stahlwerkc­hef Max Aicher vor Gericht.

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