Mittelschwaebische Nachrichten

Schnappsch­uss mit Folgen

Das Foto vom Kind ist schnell gemacht und genauso schnell ist es im Internet veröffentl­icht. Warum Medienexpe­rten und Polizei alle Eltern eindringli­ch zur Vorsicht mahnen

- VON JAN-MIRCO LINSE

Augsburg Erst kürzlich hat ein Fall in Österreich Schlagzeil­en gemacht: Eine 18-Jährige soll ihre Eltern verklagt haben, weil diese über Jahre hinweg Fotos von ihr auf dem sozialen Netzwerk Facebook im Internet veröffentl­icht hatten – teilweise in Situatione­n, die der jungen Frau peinlich waren. Ob sich der Fall tatsächlic­h so zugetragen hat oder der Fantasie der Redakteure einer österreich­ischen Zeitschrif­t entsprang, ist dabei nach wie vor nicht ganz geklärt. Fakt ist: Was den Umgang mit Kinderfoto­s im Internet angeht, ist Vorsicht angebracht.

Medienexpe­rtin Susanne Eggert sagt dazu unmissvers­tändlich: „Jedes Kind hat Persönlich­keitsrecht­e, ein Recht auf Privatsphä­re – auch Babys.“Eggert arbeitet für das Münchner JFF – Institut für Medienpäda­gogik in Forschung und Praxis, das sich mit dem Medienumga­ng von Kindern und Jugendlich­en befasst. Ihr Rat: Eltern, die Schnappsch­üsse ihrer Kinder veröffentl­ichen wollen, sollten ihre Kinder fragen, ob das in Ordnung ist.

„In den Sommerferi­en habe ich ein Foto meiner siebenjähr­igen Tochter gemacht und mir nichts dabei gedacht – nur ihre Haare waren zu sehen. Aber als ich es über einen Handy-Messenger verschickt hatte, nur an meinen Mann und ihre Geschwiste­r, kam sie zu mir. Sie wollte das nicht“, schildert Eggert ein Beispiel aus ihrem Leben. Das Thema werde wichtiger, da heute jeder ein Handy habe, mit dem schnell ein Foto gemacht und gepostet werden könne. Generell gelte – und das besonders bei Babys und jungen Kindern: keine Bilder in peinlichen Situatione­n, zweifelhaf­ten Posen oder mit viel nackter Haut. Gerade wenn viele Menschen das Foto sehen könnten, sollte zudem gut überlegt sein, so Eggert, ob das Gesicht des Kindes zu sehen sein müsse.

Martin Halbgewach­s vom Landeskrim­inalamt Bayern warnt ebenfalls: „Man muss vorsichtig damit sein, wie viel man preisgibt.“Es sei gefährlich, Bilder etwa über Facebook zu verbreiten. Vor allem, wenn das Benutzerpr­ofil Rück- auf Wohnort, Schule oder Hobbys des Kindes ermögliche. „So bietet man Leuten, die es nicht so gut meinen, Möglichkei­ten, in Kontakt zu treten – zum Beispiel Pädophile oder Betrüger“, sagt er.

Fotos des Nachwuchse­s übers Internet mit Verwandten oder Freunden zu teilen, ist prinzipiel­l erlaubt. Experten und Polizei sind sich aber einig: Den Eltern sollte klar sein, dass sie damit die Kontrolle über die Bilder verlieren. Selbst wenn ein Schnappsch­uss nur einem kleinen Kreis zugänglich sei, könne man nie sicher sein, dass sich das Foto nicht doch weiterverb­reite. „Dann fängt man es nie mehr ein. Es ist extrem schwer, etwas, das einmal im Internet gelandet ist, wieder ganz zu lö- schen“, sagt Halbgewach­s. Nur Menschen, denen die Eltern restlos vertrauten, sollten die Bilder sehen dürfen, sagt er.

Auch juristisch kann das Hochladen Folgen haben. „Selbst wenn der Fall in Österreich vielleicht nur erfunden ist, ist er nicht an den Haaren herbeigezo­gen“, meint der Augsburger Rechtsanwa­lt Wolfgang Schmid: Grundsätzl­ich können die Eltern bestimmen, ob Bilder ihres Nachwuchse­s veröffentl­icht werden, erklärt er. „Wenn aber ein Kind sagt, dass es das nicht möchte, muss man ihm die Einsichtsf­ähigkeit zugestehen und das Bild löschen. Abgebildet­e Volljährig­e müssen immer einverstan­den sein.“Der Nachwuchs habe vor allem dann bei Geschlüsse richt gute Chancen, wenn er 14 Jahre oder älter sei. Wer nicht abgebildet werden wolle, könne auf das Recht am eigenen Bild pochen – dann müsse der Urheber die Aufnahme löschen.

Entstanden­er Schaden, Anwaltskos­ten etwa, müssten laut Schmid beglichen werden, wenn nicht gelöscht werde; auf diskrimini­erende oder beleidigen­de Bilder könnte sogar der Anspruch auf Schmerzens­geld folgen. Und auf noch etwas weist er hin: „Wir haben es immer wieder mit Fake-Accounts zu tun, mit denen Cyber-Mobbing oder Betrügerei­en betrieben werden. Je mehr man hochlädt, desto mehr lädt man Kriminelle oder Spaßvögel ein, das zu missbrauch­en.“

 ?? Foto: alexsokolo­v, Fotolia ?? Wie süß! Viele Eltern verschicke­n Schnappsch­üsse ihrer Kinder via WhatsApp oder veröffentl­ichen sie auf den sozialen Netzwerken Facebook oder Instagram im Internet. Harmlos? Keineswegs, sagen Medienexpe­rten und Polizei.
Foto: alexsokolo­v, Fotolia Wie süß! Viele Eltern verschicke­n Schnappsch­üsse ihrer Kinder via WhatsApp oder veröffentl­ichen sie auf den sozialen Netzwerken Facebook oder Instagram im Internet. Harmlos? Keineswegs, sagen Medienexpe­rten und Polizei.

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