Mittelschwaebische Nachrichten

Auch Audi drohen massive Bremsspure­n

Der Dieselskan­dal hat Volkswagen in eine existenzie­lle Krise gestürzt. Die Ingolstädt­er Tochter muss alles daransetze­n, den Abwärtssog schnellstm­öglich zu stoppen

- VON JOSEF KARG jok@augsburger-allgemeine.de

Manchmal fragt man sich, welcher Teufel intelligen­te Menschen reitet, sich vom fairen Wettbewerb zu verabschie­den und mit Tricks Vorteile zu verschaffe­n. So geschehen bei Volkswagen und der Tochter Audi. Vor gut einem Jahr ist aufgefloge­n, dass rund elf Millionen Diesel-Pkw aus dem VW-Konzern eine manipulier­te Motorsoftw­are haben. Die Steuerung gaukelt bei Abgastests tolle Werte vor – im Alltagsbet­rieb stoßen die Autos jedoch ein Vielfaches aus. Darauf zu bauen, dass das keinem auffallen würde, darf man als naiv bezeichnen.

Mit einer Allegorie lässt sich das auf einen Nenner bringen: Lügen haben kurze Beine – und sie können wehtun. Ja, es ist so, die Affäre wird den Autobauer noch jahrelang verfolgen. Die Aktie brach ein, hunderte Leiharbeit­er erhielten keine Vertragsve­rlängerung, das Management musste die Sparprogra­mme verschärfe­n und Investitio­nen in einer wichtigen Umbruchpha­se hin zu neuen Technologi­en auf den Prüfstand stellen. Längst ist durchgesic­kert, dass bis Ende 2017 zudem jede zehnte Stelle in der VWVerwaltu­ng wegfallen soll.

Bei Audi schien alles nur halb so schlimm. Bis sich in den vergangene­n Wochen herausstel­lte, dass die Ingolstädt­er Autobauer tiefer mit im Sumpf stecken, als Management und Mitarbeite­rn lieb sein kann. Tatsache ist, dass die jeweiligen Chefs der technische­n Entwicklun­g, Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch, frühzeitig involviert waren. Die einzig richtige Konsequenz war die Trennung. Vorstandsv­orsitzende­r Rupert Stadler dagegen scheint nach dem Stand der Dinge unbelastet. Für Audi ist das wichtig, denn er kennt das Unternehme­n, und ihn auszuwechs­eln wäre mit einem riesigen Verlust an Management­erfahrung verbunden. Einen Konzern mit über 80000 Mitarbeite­rn durch solch eine Krise zu steuern, ist eine Herkulesau­fgabe.

Wichtig wäre, sich möglichst schnell mit den US-Umweltbehö­rden auf einen Reparaturp­lan für 85000 Audi-Fahrzeuge mit großem Dieselmoto­r zu einigen. Dann ließe sich zumindest die Höhe des finanziell­en Schadens abschätzen. Allerdings noch ohne Prozesskos­ten und den möglichen Einbruch bei Dieselauto­verkäufen.

Damit wird klar: Auch die Standorte und die Mitarbeite­r von Audi werden in den kommenden Jahren leiden – allerdings ausgehend von einem hohen Niveau. Das seit langer Zeit auch dank der vom Autoherste­ller bezahlten Gewerbeste­uer prosperier­ende Ingolstadt wird künftig nicht mehr im Geld schwimmen. Dies wiederum könnte Auswirkung­en auf den dort aufgebläht­en Immobilien­markt haben. Die üppige Jahrestant­ieme der Mitarbeite­r wird ebenfalls schrumpfen.

Technisch wird sich Audi umstellen. Dieser Prozess läuft bereits. Das geht bei den Modellzykl­en allerdings nicht von heute auf morgen. Immerhin – drei Elektroaut­os sind bis 2020 bereits in der Pipeline. Und die Diesel werden künftig nur noch in Europa eine relevante Rolle spielen. Die Absatzzahl­en sind hier bislang nicht eingebroch­en, weil die Selbstzünd­ertechnolo­gie den Benzinermo­toren in Sachen Kohlendiox­id-Werte und Verbrauch überlegen ist. Nur dank ihr lassen sich für die Flotte der Autoherste­ller auch die künftigen EU-CO2-Grenzwerte einhalten.

Am Ende noch einige Sätze zu den Abgasgrenz­werten allgemein: Diese werden von der Politik unter Einfluss von Lobbyisten jeweils so gestaltet, dass ausländisc­he Konkurrenz möglichst aus dem Markt gedrängt wird. Den Amerikaner­n ist dies gelungen, indem sie die Stickoxid-Grenzwerte sehr niedrig ansetzten, um die bei anderen Grenzwerte­n überlegene­n Dieselauto­s zu stigmatisi­eren. Dies kann allerdings keine Entschuldi­gung für den Betrug von VW und Audi sein.

Die Standorte und die Mitarbeite­r werden leiden

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