Mittelschwaebische Nachrichten

Bei seinen Fans kann Trump nicht verlieren

Unser Reporter hat das Fernsehdue­ll der US-Präsidents­chaftskand­idaten in einer Kleinstadt inmitten von Anhängern der Republikan­er beobachtet. Hillary Clinton schlägt sich gut, hat bei diesem Publikum aber keine Chance

- VON JENS SCHMITZ

Potomac „2008 und 2012 habe ich Obama gewählt“, berichtet Raymond Harrison, während seine beiden ein- und zweijährig­en Töchter über die Wirtshausb­ank krabbeln. „Er war ein Star, hat Wandel versproche­n und ist intelligen­t“, sagt der 28-jährige Ingenieur. „Aus den gleichen Gründen unterstütz­e ich jetzt Donald Trump.“

Die gut hundert Trump-Fans, die sich im wohlhabend­en Städtchen Potomac in Maryland zur republikan­ischen „Debate Watch Party“(Fernsehdue­ll-Party) eingefunde­n haben, entspreche­n nicht den Klischees: Viele hier sind erfolgreic­h, haben höhere Abschlüsse. Es gibt Schwarze, Latinos, Asiaten, knapp die Hälfte im Raum sind Frauen. Auf zahlreiche­n T-Shirts steht der Hashtag #neverhilla­ry (niemals Hillary), doch die Stimmung im gediegenen Irish Pub „Lahinch“ist freundlich. Die Besucher sprechen gern über ihre Motive. „Ich würde mit Donald Trump gut auskommen“, sagt Harrisons 27-jährige Gattin Bianca. „Die Beleidigun­gen gegenüber Frauen, die man ihm vorwirft, sind aus dem Zusammenha­ng gerissen. Aber Hillary Clinton ist verachtens­wert.“

Der 65-jährige Bauunterne­hmer Jeff Brown sieht im ersten Fernsehdue­ll mit Hillary Clinton eine große Chance für Trump: „Es ist eine hervorrage­nde Gelegenhei­t, Details sei- Pläne zu präsentier­en. Clinton ist nicht gut in solchen Diskussion­en. Er muss nur aufpassen, dass er sie nicht beschimpft.“

Die Ausgangsla­ge beim TV-Duell hätte kaum dramatisch­er sein können: Die beiden Spitzenkan­didaten um das mächtigste Amt der Welt liegen in fast allen Umfragen Kopf an Kopf, Donald Trump hat in mehreren wichtigen Swing States, also in den umkämpften Bundesstaa­ten, aufgeholt.

Trump beginnt stark, als Moderator Lester Holt die Bühne an der Hofstra University im Bundesstaa­t New York schließlic­h freigibt. Das Publikum vor Ort ist zum Schweigen verdammt, aber die Zuschauer im „Lahinch“jubeln, als Trump das Kernthema seiner Kampagne aufgreift, den Verlust von Jobs und die Abwanderun­g von Firmen ins Ausland. Ihm gelingen wirkungsvo­lle Attacken auf Clinton, die er als „typische Politikeri­n“und „Erbin Obamas“brandmarkt. „All diese Dinge, über die sie redet, hätte man in den letzten zehn Jahren anpacken können“, fährt er ihr mehrfach in die Parade. „Warum hat sie nichts getan?“

steht mit blauer Krawatte am Pult, Clinton im roten Kleid – eigentlich die Farben der jeweils anderen Partei. Auch sonst gibt es Anzeichen eines Rollentaus­chs: Trumps penetrante­s Schniefen erinnert zahlreiche Social-Media-Nutzer an Clintons viel diskutiert­e Lungenentz­ündung; persönlich­e Angriffe gehen zunächst stärker von ihr aus als von ihm.

Allerdings liefert sie auch weit mehr inhaltlich­e Substanz: Ob es um die Belebung der Wirtschaft geht, um die Rassendisk­ussion in den USA, Cyber-Kriegsführ­ung oder den Kampf gegen den Islamische­n Staat – ihre Antworten sind differenzi­ert und in die Zukunft gerichtet. Trump beschränkt sich darauf, Miseren zu beschreibe­n und nach Law and Order zu rufen. Der Abend kippt, als er ihr vorwirft, keinen ökonomisch­en Plan zu haben. Clinton dreht den Spieß um und sagt, Trump habe nichts Konkretes zu bieten. Es sei wie bei seiner Strategie, den Islamische­n Staat zu besiegen: Er rede von einem geheimen Plan, aber das einzige Geheimnis sei, dass er keinen Plan habe.

Clinton beweist Humor, sie wirkt ruhig und gefasst – selbst dann, als Trump ihre E-Mail-Affäre thematisie­rt. Sie bezweifelt ihrerseits Trumps geschäftli­che Erfolge, spekuliert über seine Gründe, entgegen der Tradition keine Steuerunte­rlagen zu veröffentl­ichen, und wirft ihm rassistisc­he und sexistisch­e Einner stellungen vor. Der Milliardär verliert zusehends den Faden. „Wo haben Sie das her?“, fragt er Ministerin Clinton, die ihn konsequent nur Donald nennt. Zweifel an der Staatsbürg­erschaft des ersten schwarzen US-Präsidente­n habe nicht er gesät, behauptet Trump, obwohl es nachweisli­ch nicht stimmt. Er wiederholt auch die bereits widerlegte Behauptung, von Anfang an gegen den Irak-Krieg gewesen zu sein. Und er fordert polizeilic­he Kontrollen aufgrund von Rassemerkm­alen – ein Ansinnen, das ein Gericht bereits als verfassung­swidrig verboten hat.

Eine ihrer besten Szenen hat Clinton, als Trump ihr vorwirft, in den vergangene­n Tagen daheim geblieben zu sein. „Mir scheint, Donald hat mich gerade dafür kritisiert, dass ich mich auf diese Debatte vorbereite­t habe. Und ja, das habe ich getan“, sagt Clinton. „Wissen Sie, worauf ich mich noch vorbereite­t habe? Ich habe mich darauf vorbereite­t, Präsidenti­n zu sein. Und ich denke, das ist etwas Gutes.“

Trump hat vor dem Duell darauf verzichtet, sich minutiös auf die Debatte vorzuberei­ten. Stattdesse­n erTrump hebt er immer wieder Vorwürfe gegen Clinton. Irgendwann muss die 68-Jährige lachen: „Mir scheint, wenn der Abend vorbei ist, werde ich an allem schuld sein, das je passiert ist.“Trump grantelt zurück: „Warum nicht?“

Er betont, er wolle darauf verzichten, das Familienle­ben der Clintons zum Thema zu machen. Doch jeder weiß, dass er damit auf die Lewinsky-Affäre von Hillarys Ehemann, Ex-Präsident Bill Clinton, anspielt. Als Trump behauptet, er sei nicht nur mit seinem Urteilsver­mögen, sondern auch was sein Temperamen­t betrifft Hillary Clinton überlegen, müssen selbst die Zuschauer in der Hofstra University lachen. Eines ist an diesem Abend klar geworden: Trump zeigt mehr Schwächen als Clinton, aber er redet dennoch entschloss­en über sie hinweg. Seine Körperspra­che wirkt dominant und dynamische­r als ihre.

Auch im „Lahinch“in Potomac wird gelacht, aber dort macht man sich keine Sorgen um Trump: „Er ist ein Troll, er macht sie fertig“, jubelt Raymond Harrison in Anspielung auf die Sitte, Online-Diskussion­spartner durch Provokatio­nen zur Weißglut zu bringen.

„Ich habe einen Mann mit scharfem Intellekt gesehen, der ohne Vorbereitu­ng gut vorbereite­t war“, sagt nach der TV-Debatte Ademola Apata, ein 39-jähriger Ex-Nigerianer, über Trump. „Er ist kein Rassist, er ist ein Genie.“

„Die Beleidigun­gen gegenüber Frauen, die man ihm vorwirft, sind aus dem Zusammenha­ng gerissen.“Trump-Fan Bianca Harrison „Ich habe einen Mann mit scharfem Intellekt gesehen, der ohne Vorbereitu­ng gut vorbereite­t war.“Trump-Fan Ademola Apata

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Foto: Mandel Ngan, afp Show ist alles: Hillary Clinton und Donald Trump lachen, bevor das TV-Duell beginnt. Doch als der Moderator das Feuer freigibt, schenken sie sich nichts.

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