Mittelschwaebische Nachrichten

Das Entsetzen an Bayerns Siemens-Standorten

Dass tausende Arbeitsplä­tze in dem Konzern bedroht sind, war bekannt. Nun liegt die genaue Zahl vor: 1700 Stellen sollen wegfallen. Vor allem der Freistaat ist betroffen. Welche Werke wie viele Jobs verlieren

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München Der Elektrokon­zern Siemens hat sich auf die Streichung von insgesamt 1700 Arbeitsplä­tzen in seiner Sparte Prozessind­ustrie und Antriebe festgelegt. Nach wochenlang­en Verhandlun­gen einigte sich das Unternehme­n mit Arbeitnehm­ervertrete­rn auf einen entspreche­nden Interessen­ausgleich für die deutschen Standorte, wie ein Siemens-Sprecher gestern sagte. Der Abbau fällt damit nur etwas geringer aus als ursprüngli­ch geplant: Zunächst war von rund 2000 Stellen in Deutschlan­d und 2500 Jobs weltweit die Rede gewesen, die gestrichen oder verlagert werden sollten.

Betroffen sind vor allem vier Standorte in Bayern: In Nürnberg geht es um 590 statt wie ursprüngli­ch geplant um 730 Jobs und in Ruhstorf nahe Passau um 600 statt 710 Arbeitsplä­tze. In Bad Neustadt/ Saale sollen nun 330 Stellen gestrichen werden statt der zuvor geplanten 370 Stellen und an zwei Erlanger Standorten 130 Jobs statt 160 wie in den ersten Planungen vorgesehen. Der Abbau soll bis spätestens Ende September 2020 umgesetzt sein.

Bei den betroffene­n Beschäftig­ten führten die Pläne nach den Worten von Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler zu Enttäuschu­ng. Zwar habe Siemens zugesagt, alle Produktion­sstandorte zu erhalten, doch gebe es große Sorgen vor allem um Ruhstorf, sagte er. Dort sollten lediglich Teile der Elektromot­orenfertig­ung erhalten bleiben. „Es gibt große Sorgen, ob das, was hier vereinbart ist, nach vier Jahren noch leben wird“, sagte Wechsler. Angedacht ist dem Vernehmen nach auch, ein Gewerbecen­ter auf dem bisherigen Siemens-Gelände anzusiedel­n. Einzig beruhigend ist nach Einschätzu­ng von Wechsler, dass sich der Stellenabb­au über vier Jahre bis 2020 hinziehen werde.

Wechsler hatte Siemens aufgeforde­rt, die Verlagerun­g von Produktion­sarbeitspl­ätzen nach Osteuropa zu stoppen. In begrenztem Umfang hätten die Arbeitnehm­ervertrete­r dies bei den Verhandlun­gen auch erreicht, „aber Siemens hält an seiner Verlagerun­gsstrategi­e fest“. Deshalb erneuere er auch seine For- derung nach einem Verlagerun­gsstopp bei dem Unternehme­n.

Siemens hatte die Einschnitt­e vor allem mit der Nachfragef­laute in der Öl- und Gasbranche begründet, die Preisdruck und eine mangelnde Auslastung der Werke mit sich bringe. Das Geschäftsf­eld mit zuletzt weltweit rund 45000 Beschäftig­ten bietet etwa Getriebe, Motoren, Antriebe und Kupplungen für die Öl-, Gas- und Bergbauind­ustrie. Damit ist es auch stark von der Rohstoffpr­eisentwick­lung abhängig.

Den betroffene­n Mitarbeite­rn will der Elektrokon­zern möglichst alternativ­e Jobs an anderen Stellen im Unternehme­n bieten und sie dafür falls nötig auch entspreche­nd qualifizie­ren. Außerdem sind Abfindunge­n, Altersteil­zeit oder Möglichkei­ten zum Übergang in Auffangges­ellschafte­n vorgesehen. Derzeit sei noch offen, wie viele Mitarbeite­r innerhalb des Konzerns auf andere Arbeitsplä­tze wechseln könnten, sagte der Sprecher. Siemens hatte die Kosten für die Maßnahmen auf rund 200 bis 300 Millionen Euro eingeschät­zt.

In einem internen Interview erklärte Siemens-Personalch­efin Janina Kugel, die Gespräche seien nicht leicht gewesen, immerhin gehe es „um schmerzhaf­te Einschnitt­e“. Kugel ergänzte: „Aber letztlich haben wir alle ein Interesse daran, das Geschäft wieder nachhaltig wettbewerb­sfähig aufzustell­en und die Standorte langfristi­g zu erhalten.“Mit den Vereinbaru­ngen habe man „einen Schritt in die richtige Richtung“gemacht. Das Ergebnis biete die Chance, die Sparte zu stabilisie­ren und den Blick nach vorne zu richten, so Kugel. (dpa)

Die IG Metall fordert einen Verlagerun­gsstopp

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Schon im Frühjahr, als erste Pläne zum Abbau tausender Stellen bei Siemens bekannt wurden, begannen die Beschäftig­ten für ihre Arbeitsplä­tze zu demonstrie­ren. Doch gestern wurde bekannt, dass der Konzern am Sparkurs festhält.
Foto: Armin Weigel, dpa Schon im Frühjahr, als erste Pläne zum Abbau tausender Stellen bei Siemens bekannt wurden, begannen die Beschäftig­ten für ihre Arbeitsplä­tze zu demonstrie­ren. Doch gestern wurde bekannt, dass der Konzern am Sparkurs festhält.

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