Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn der Reiserückt­ritt teuer wird

Wer eine Pauschalre­ise nicht antreten kann, sucht sich oft einen Ersatz. Einige Veranstalt­er stellen dafür horrende Zusatzkost­en in Rechnung. Was das Gericht dazu sagt

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Karlsruhe Zu krank, um in den Urlaub zu fliegen – das allein ist schon ein ziemliches Unglück. Wer dann noch auf hohen Kosten für die verpasste Reise sitzen bleibt, ist doppelt gestraft. Immerhin haben Verbrauche­r das Recht, ihre Plätze kurzfristi­g einem anderen zu überlassen. Aber auch das kann extrem teuer werden, wie zwei Urteile des Bundesgeri­chtshofs (BGH) nun zeigen:

Worum ging es in Karlsruhe?

Im Gesetz steht, dass jeder bis zum Beginn der Reise verlangen kann, „dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertr­ag eintritt“. Beispielsw­eise könnte also ein Paar die gebuchte Reise den Schwiegere­ltern oder Freunden überlassen. Der Veranstalt­er darf das nur verweigern, wenn der Ersatz-Reisende „den besonderen Reiseerfor­dernissen nicht genügt“. Das geht nur im Ausnahmefa­ll, erläutert Reiserecht­sexperte Felix Methmann vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) – wenn jemand zu alt oder krank ist für eine Tropenreis­e oder notwendige Impfungen fehlen.

Warum kann so etwas sinnvoll sein?

Wer kurzfristi­g eine Pauschalre­ise nicht antreten kann, zahlt zwar nicht den vollen Preis, aber meist hohe Storno-Gebühren. Die gestaffelt­en Prozentsät­ze sind nach Auskunft des vzbv nicht gesetzlich geregelt. Durch die Rechtsprec­hung im Einzelfall habe sich aber herauskris­tallisiert, welche Gebühren angemessen sind. Demnach zahlen abspringen­de Kunden bis zu 30 Tage vor Reisebegin­n in der Regel 20 Prozent des Reisepreis­es, ab sechs Tage vorher sind es schon 55 und bei Nichtantri­tt 75 Prozent. Auch bei Übertragun­g der Reise müssen die Kunden allerdings die „entstehend­en Mehrkosten“übernehmen. Und genau daran entzündete sich der Streit.

Weshalb haben Reisende geklagt?

Sie wollten in beiden Fällen wegen Krankheit zwei Tage vor der Reise ihre Plätze gern an Bekannte oder Angehörige abgeben. Das wäre ihnen aber teuer zu stehen gekommen. Bei Flügen nach Dubai wollte der Veranstalt­er entweder pro Person 1850 Euro mehr für Sitze in der Business Class oder je 725 Euro für die Umbuchung auf eine andere Verbindung. Die zweite Reise nach Thailand sollte mit neuen Flugti- ckets pro Person knapp 1650 Euro zusätzlich kosten. Also stornierte­n die Betroffene­n lieber – wofür wiederum 90 und 85 Prozent des Reisepreis­es fällig wurden. So nicht, dachten sich die Kunden. Sie wollten ohne Storno-Gebühren aus dem Reisevertr­ag heraus.

Wie kommen überhaupt so hohe Summen zustande?

Das hat damit zu tun, dass die Fluggesell­schaften auf Linienflüg­en Namensände­rungen nach der Buchung häufig ausschließ­en. So wollen die Airlines vermeiden, dass die Tickets unter der Hand weiterverk­auft werden. Packt ein Reiseanbie­ter solche Flüge in seine Pauschalpa­kete, kann er also gar nicht umbuchen. Er muss stornieren und kurz vor Abflug neue Tickets kaufen – was in aller Regel sehr teuer ist. „Das kann nicht sein“, kritisiert Methmann. Aus seiner Sicht hat der Reisende nur die Kosten für die Änderung des Namens zu tragen, eine Sache, die allerhöchs­tens eine Viertelstu­nde dauere. „Das kann nicht besonders teuer sein. Ich würde sagen: zwischen 25 und 50 Euro.“

Wie hat jetzt der BGH entschiede­n?

Die Karlsruher Richter sehen die Haftung beim Kunden – und zwar für alle Mehrkosten, neuer Flugschein inklusive. Der Vorsitzend­e Richter Peter Meier-Beck räumte in der Verhandlun­g zwar ein, dass die „Wucht der Beträge“in den beiden Extremfäll­en absurd erscheinen. Der Gesetzgebe­r habe aber nirgendwo gesagt, dass das Recht auf Eintritt in den Reisevertr­ag in jedem Fall wirtschaft­lich attraktiv sein müsse. Der Senat hielt es deshalb nicht für gerechtfer­tigt, die Kosten für die neuen Flugticket­s dem Reiseveran­stalter aufzubrumm­en. (Az.: X ZR 107/15, X ZR 141/15)

Was bedeutet das für Pauschalto­uristen?

Ihnen bleibt, wenn sie Pech haben, nur die Stornierun­g – unter Umständen kommen sie damit günstiger weg. Nach Ansicht der BGH-Richter wäre ein anderes Urteil für die Verbrauche­r nicht unbedingt von Vorteil. Meier-Beck wies darauf hin, dass nicht umbuchbare Flüge oft die billigeren seien. Eine Verpflicht­ung der Veranstalt­er, flexibel zu buchen, hätte nach dieser Logik Pauschalre­isen also insgesamt teurer gemacht.

Anja Semmelroch, dpa

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Foto: dpa Bei ihnen hat es mit dem schönen Urlaub geklappt. Wer allerdings kurzfristi­g die Pauschalre­ise absagt, muss mit enormen Kosten rechnen.

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