Mittelschwaebische Nachrichten

Raum für die Liebe

Die Künstlerin Luise Loué stellt in München Liebesobje­kte aus. Ständig bringen Besucher neue Dinge – und erzählen ihr, was sie sonst niemandem sagen

- VON SARAH RITSCHEL

München Letztens erst saß ein Rapper mit Goldzahn auf der blauen Couch von Luise Loué. Eigentlich hatte er sich nur die Ausstellun­g ansehen wollen, doch dann kam er ins Reden. Er sei schon lange auf der Suche nach der Richtigen, erzählte er. Luise Loué ist weder eine Psychologi­n noch ein Date-Doktor. Luise Loué betreibt die Sammlung der Liebesobje­kte in München. Was andere fühlen, hängt sie an die Wand. Sie stellt die Liebe in Vitrinen. Und wenn man sich die Ausstellun­g anschaut, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass man irgendwann eben ein bisschen aus seinem Innersten erzählt.

Der Weg in den kühl-weißen Ausstellun­gsraum führt über einen roten Teppich, der in der Milchstraß­e im Stadtteil Haidhausen den Gehweg unterbrich­t. Eine Buchstaben-Girlande über dem Eingang mahnt: „Vergesst die Liebe nicht!“Das Museum gibt es seit April. Zeitungen und Blogs schreiben darüber, Radiostati­onen senden Interviews mit Luise Loué, bürgerlich Silke Gropengieß­er, die mit ihrem Mann und einem kleinen Sohn in Schondorf am Ammersee lebt. Jetzt, wo es da ist, scheint die Öffentlich­keit sich zu fragen, warum nicht früher jemand die Idee für ein Liebesmuse­um hatte. Zweimal pro Woche rollt die Kuratorin den roten Teppich aus. Und fast immer bringen Menschen neue Exponate vorbei. Andere schicken sie per Post. Den Anhänger aus New York zum Beispiel, den die Absenderin von ihrer Großmutter geerbt hat. Loués liebstes Liebesob- jekt kommt aus Büsum an der Nordsee: 50 Herzen aus Filz, jeweils beschrifte­t mit einem Grund, den Partner zu mögen. „Die Frau hat es ihrem Mann zum 50. Geburtstag geschenkt. Mittlerwei­le sind sie 45 Jahre verheirate­t.“

Loué, weißes Top, rot geblümter Rock, stammt ursprüngli­ch aus dem Chiemgau. Die heute 40-Jährige war sieben, als ihre Eltern sich scheiden ließen. Mit 16 zog sie daheim aus. Mit 18 schlief sie draußen im Schlafsack. Mit 21 holte sie das Abitur nach, studierte Romanistik, Volkswirts­chaftslehr­e, Politik und später Kunstgesch­ichte. Neben dem Museum arbeitet sie als Projektman­agerin. Den Schlafsack von damals hat sie noch. Denn Loués eigenes Leben bildet das Fundament für die Sammlung. „Ich konnte mich einfach nicht von meinen Andenkenki­sten trennen“, sagt Loué.

Warum sind einem alte Erinnerung­en so wichtig? Die Frage hat sie nicht losgelasse­n. „Drei Monate lang habe ich die Geschichte­n hinter all den Andenken aufgeschri­eben. Mir wurde klar, wie sehr ich in meinem Leben schon geliebt hatte und geliebt worden war – auch wenn es in den seltensten Fällen zusammenpa­sste.“Heute, glücklich verheirate­t, kann sie unbedarft darüber reden. Bis zur Erkenntnis, dass solche Erinnerung­en Raum brauchen, war es dann nicht mehr weit. Sie suchte einen solchen Raum – und fand ihn in Haidhausen.

Die Ausstellun­gsstücke bilden nicht nur die romantisch­e Liebe ab. Die fürsorglic­he Beziehung von Eltern und Kind, das Niemals-ohneDich bester Freundinne­n: alles da. Das eine symbolisie­rt ein Menschärge­re-dich-nicht-Spiel mit ReliefOber­fläche, das eine Frau für ihre blinde Mutter gestaltet hat. Das andere zeigt sich tintenblau auf rosa in flammenden Briefen, die Loué, damals natürlich noch Silke, mit ihrer besten Freundin ausgetausc­ht hat. Zu 99 Prozent glücklich – so beschreibt sie die Liebe, die in ihrem Museum gezeigt wird. Aber auch, wenn es anders ist, kommen die Menschen zu ihr. Jemand brachte die Scherben mehrerer Teller. Drapiert in einem Mülleimer stehen sie jetzt im Museum. Das Werk trägt den Titel „The Last Breakfast“– das letzte Frühstück.

Und dann sind da noch die Älteren, die sich etwas von der Seele reden wollen. „Oft kommen sehr feine Damen mit Ohrringen und Handtäschc­hen hierher. Sie kommen gezielt, um zu reden – und man merkt: Da gibt es viel offenzuleg­en.“Dass die Liebe komplizier­t ist, weiß nicht nur der Rapper mit Goldzahn.

Öffnungsze­iten Die Sammlung ist dienstags und samstags jeweils von 13 bis 19 Uhr geöffnet. Weitere Öffnungsze­iten auf Anfrage.

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Fotos: Sarah Ritschel (3), Luise Loué Zu 99 Prozent glücklich – so beschreibt Kuratorin Luise Loué die Liebe in ihrer Ausstellun­g. Da ist das Kästchen, in dem ein Mann dasselbe Wort dutzendfac­h aufbewahrt hat. Oder die Herzsammlu­ng, ein Geburtstag­sgeschenk. Aber manchmal liegt das Glück in...
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Luise Loué

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