Mittelschwaebische Nachrichten

In der Welt des Wahns

Warum der Amokläufer von Kempten in der Psychiatri­e bleiben muss

- VON STEFANIE HECKEL

Kempten Die Katastroph­e, an deren Ende ein Mensch tot sein wird und drei Verletzte blutend auf dem Boden eines Kemptener Einkaufsze­ntrums liegen, beginnt mit einem Mann am Computer. Er ist der Amokläufer. Gefährlich und schuldunfä­hig nennen ihn die Richter des Kemptener Landgerich­ts, als sie ihn in die Psychiatri­e einweisen.

Am Tag des Amoklaufs hat der Mann die Medikament­e gegen seine Aggression­en nicht genommen. Es ist der 28. Dezember 2015, und nun packt ihn der Wahn. Im festen Glauben, sein Mitbewohne­r habe ihm einen Virus auf den Computer gespielt, springt der Mann auf und kauft in einem Waffengesc­häft ein Messer. Damit stürzt er sich zu Hause auf seinen 50 Jahre alten Mitbewohne­r, bringt ihn zu Fall und schneidet ihm die Kehle durch. Danach holt er ein Beil und schlägt auch damit zu.

Als das Opfer tot ist, macht der Angreifer das Messer sauber, steckt es ein, geht ziellos kilometerw­eit umher und sticht schließlic­h im Einkaufsze­ntrum auf junge Männer ein. Die Richter sagen: Der 27-Jährige hätte weitergema­cht. Er hatte geplant, sich von der Polizei erschießen zu lassen. Hätten ihn Passanten nicht gestoppt, wären wohl weitere Unbeteilig­te zu Tode gekommen.

Welches Leid der Kemptener verursacht hat, schildern Opfer und Angehörige. „Dieser Vorfall hat uns alle zerstört“, sagt die Frau des Getöteten, die in Italien lebt. Die Italieneri­n, ihre Tochter und die Schwester des Toten sind Nebenkläge­rinnen im Verfahren. „Ich würde ihm gerne viele Fragen stellen, aber er spricht ja nicht“, sagt die Frau.

Der Amokläufer hat sich zwar entschuldi­gt, doch vor Gericht kaum noch ausgesagt. „Mir ist unbegreifl­ich, dass einer, der so gefährlich ist, auf freiem Fuß war“, sagt eines der Opfer. Die Entschuldi­gung mache nichts rückgängig. Warum haben Betreuer und Vollstreck­ungskammer nicht eingegriff­en, als sich der 27-Jährige ihrer Kontrolle entzog? Diese Frage stellt die Nebenklage­Anwältin. Der Prozess gegen den Attentäter hat das nicht geklärt, sondern nur entschiede­n, was nun mit dem 27-Jährigen geschieht. Er bleibt in einem psychiatri­schen Krankenhau­s. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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