Mittelschwaebische Nachrichten

Aufbruch im Mafiadorf Corleone

Erstmals haben Geschäftsl­eute in dem berüchtigt­en Ort ihre Erpressung durch die Cosa Nostra angezeigt. Ermittler bewerten das als Erfolg im Kampf gegen das organisier­te Verbrechen

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Corleone ist ein gebrandmar­ktes Dorf. Alle Welt kennt den Ort auf Sizilien von den Bildern aus dem Mafiafilm „Der Pate“von Francis Ford Coppola. Dessen fiktiver Protagonis­t Don Vito Corleone ist gar nach dem Ort benannt. Aber auch in der Realität spielte die Cosa Nostra dort in den vergangene­n Jahrzehnte­n eine tragende Rolle. Die Superbosse Salvatore Riina und Bernardo Provenzano wurden in Corleone geboren und bauten von dort aus ihre mörderisch­e Herrschaft über ganz Sizilien auf. Der 85-jährige Riina steckt seit 1993 im Gefängnis, Provenzano starb vor gut zwei Monaten 83-jährig in Haft.

Obwohl die Zeit der einflussre­ichen Bosse auf Sizilien vorbei ist, wurde erst im August die Gemeindeve­rwaltung von Corleone aufgelöst – wegen Unterwande­rung durch die Mafia. Doch nun gibt es auch positive Nachrichte­n aus dem Nest: Erstmals haben acht Unternehme­r aus Corleone, die Schutzgeld an die Mafiosi zahlten, diese Erpressung der Polizei angezeigt und so das „omertà“genannte Schweigege­lübde gebrochen. „Wenn Handwerker und Geschäftsl­eute in Dörfern wie Corleone Schutzgeld­erpressung anzeigen, ist das auch überall anders möglich“, sagt Daniele Marannano von der Antimafiao­rganisatio­n Addiopizzo.

Die Anzeige hatte Folgen: Am Dienstagmo­rgen nahmen Carabinier­i in Corleone zwölf Männer fest, die offenbar versucht hatten, die kriminelle Herrschaft über den Bezirk neu zu organisier­en. Die Ermittler hatten die Mafiosi in einem Büro im Stadion von Corleone abgehört und dabei von der Erpressung mehrerer Unternehme­r aus dem Immobilien­sektor mittels Zahlung des Schutzgeld­es erfahren. Zudem war die Antimafia-Organisati­on Addiopizzo in den vergangene­n Monaten mit einigen Geschäftsl­euten der Gegend in Verbindung getreten, die sich jüngst entschloss­en hatten, die Erpressung ebenfalls anzuzeigen. „Eine Anzeige in diesem Umfeld ist keine Selbstvers­tändlichke­it“, sagt Marannano.

Unter den Festgenomm­enen war auch der 47-jährige Carmelo Gariffo, der Lieblingsn­effe von Bernardo Provenzano, und sein ehemaliger Sekretär. Zusammen mit einem unbescholt­en wirkenden Gemeindean­gestellten von Corleone hatte Gariffo laut Staatsanwa­ltschaft versucht, den Mafiadistr­ikt Corleone wieder in seine Gewalt zu bekommen. Er saß jahrelang selbst im Gefängnis, weil er an der Jahrzehnte währenden Flucht seines Onkels beteiligt war.

Provenzano hatte sich vor seiner Festnahme im April 2006 in einer Hütte in den Bergen oberhalb von Corleone versteckt. Sein Neffe war in den vergangene­n Jahren wieder auf Freigang. In dieser Zeit agierte die lokale Mafia in Corleone scheinbar unbehellig­t weiter. Bis zur Auflösung der Gemeindeve­rwaltung vor einem Monat kontrollie­rte sie die Müllentsor­gung, den Mensabetri­eb der Schule und die Firma, die für die Steuereint­reibung zuständig ist. Die Zahlungsmo­ral im Ort ging den Ermittlern zufolge in dieser Zeit von 73 auf 25 Prozent zurück.

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Foto: Mike Palazzoto, dpa Es sieht idyllisch aus: Das Örtchen Corleone liegt im Hinterland von Sizilien, etwa 60 Kilometer südlich von Palermo. Obwohl die Zeit der einflussre­ichen Mafiabosse Salvatore Riina und Bernardo Provenzano auf Sizilien vorbei ist, hat das Dorf noch...

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