Mittelschwaebische Nachrichten

Spieler leiden unter hoher Belastung

Die Bundesliga­klubs haben fast 90 verletzte Profis zu beklagen. In den englischen Wochen kamen wieder einige dazu. Die vielen Partien sind nicht der einzige Grund dafür

- VON RENÉ LAUER

Augsburg Adduktoren, Muskelbünd­el und Faszien. Die meisten Hobbyfußba­ller kennen diese Begriffe nur aus der Sportsendu­ng im Fernsehen. Profis hingegen wissen genau, was sich hinter diesen Ausdrücken verbirgt. Denn hier zwickt und reißt es immer wieder.

Rund 90 Spieler fehlen den Vereinen der ersten Bundesliga aktuell, der größte Teil davon hat „muskuläre Probleme“, wie es die Trainer auf Pressekonf­erenzen gerne nennen. Zum Vergleich: Zu Saisonbegi­nn lag die Zahl der verletzten Spieler aller Vereine bei 30. Während der englischen Wochen kamen zahlreiche Invaliden hinzu. Bayern Münchens Douglas Costa zwicken die Oberschenk­elmuskeln, bei Gladbachs rissen Muskelfase­rn an gleicher Stelle komplett durch. „Wenn den Spielern die Regenerati­onszeit fehlt, kommen solche Verletzung­en öfter vor“, sagt Dr. Robert Glötzinger, der viele Jahre Mannschaft­sarzt beim FCA und den Augsburger Panthern war. Diese Ruhepausen gebe es in den englischen Wochen quasi kaum. Der FC Bayern hatte zuletzt beispielsw­eise vier Spiele in einem Zeitraum von elf Tagen. Am heutigen Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) geht es mit der Partie in der Champions League bei Atlético Madrid erneut unter der Woche weiter. Den anderen internatio­nal tätigen Klubs geht es genauso. Aufgrund dieser Mehrfachbe­lastung seien vor allem Spieler von Topvereine­n häufig von Muskelverl­etzungen betroffen, sagt der Mediziner, der seine Praxis in Gersthofen hat.

Gerade in einer Saison, die an ein internatio­nales Turnier im Sommer anschließt, scheinen die Körper einiger Fußballer überlastet zu sein. Die Nationalsp­ieler, die bei der Copa América, Olympia oder der Europameis­terschaft im Einsatz waren, hatten nur wenige Wochen Sommerpaus­e.

Im Training legen die Verantwort­lichen deshalb immer mehr Wert auf die Prophylaxe, erklärt Glötzinger. Es werde versucht, die Belastungs­steuerung zu optimieren, um die Spieler vor lästigen Zerrungen zu bewahren. Trotzdem funktionie­re die Zusammenar­beit zwischen Medizinern, Management und Trainern nicht immer. Besonders wenn es um von Ärzten verordnete Pausen gehe. „Der Spieler ist fit, wenn ich ihn brauche“, habe ein Trainer einst zu Glötzinger gesagt.

Dabei belastet nicht nur die hohe Spielzahl die Muskeln der Fußballer, sondern auch eine moderne Spielweise, wie sie viele Trainer bevorzugen: das aggressive Pressing. Kaum ein Trainer lässt diese Taktik so intensiv spielen, wie der ExDortmund­er Jürgen Klopp. Eines der ersten Worte, die er bei seiner Anstellung in Liverpool gelernt habe, sei „harmstring“gewesen – das englische Wort für den hinteren Oberschenk­elmuskel –, hatte Klopp einmal scherzhaft gesagt. Weil gleich fünf seiner Spieler sich in den ersten Wochen seiner Amtszeit eine Verletzung dort zugezogen hatten. Das ist kein Zufall, weiß Robert Glötzinger. „Das ständige Stop and Go, also die kurzen Sprints und das abrupte Abbremsen beim Pressing, ist besonders anstrengen­d für die Muskeln“, erklärt Glötzinger. Erschweren­d hinzu komme, dass immer mehr Vereine auf Hybridrase­n, eine Mischung aus natürliche­m und Kunstrasen, setzen. „Hybridrase­n dämpft weniger. Die Kräfte, die bei Sprüngen und Sprints wirken, werden dadurch nicht mehr so gut abgefedert“, sagt der ehemalige FCAMannsch­aftsarzt.

Ungeachtet aller äußeren Faktoren seien manche Spieler genetisch bedingt auch einfach anfälliger als andere. „Arjen Robben ist ein gutes Beispiel, er hat andauernd Probleme mit den Muskeln. Dann schauen Sie sich Thomas Müller an. Der ist nie verletzt.“

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Foto: dpa Häufig verletzt: Arjen Robben.

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