Mittelschwaebische Nachrichten

Zweikampf der Giganten

Das ewige Derby im Genre der Fußballsim­ulationen: Das Rennen um den Meistertit­el zwischen Fifa und Pro Evolution Soccer geht in dieser Saison in die nächste Runde. Doch welches Spiel holt am Ende mehr Punkte?

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Apple oder Windows? Opel oder VW? Superman oder Batman? Star Wars oder Star Trek? Wenn Konkurrenz­produkte einen Kultstatus erreichen, wird unter den Fans der feindliche­n Lager hitzig diskutiert, was die bessere Wahl sei. Das Paradebeis­piel aus der Welt der Videogames: die ewige Fehde zwischen Pro Evolution Soccer vom japanische­n Publisher Konami und Fifa von Electronic Arts.

Fifa oder Pro Evolution Soccer, das ist hier die Frage! Und sie stellt sich Fans von Fußballsim­ulationen jeden Herbst. Jahr für Jahr erscheint ein neuer Teil der jeweiligen Reihe. Die Rivalität der beiden Lager wird so erbittert ausgetrage­n wie ein WM-Finale. Doch was spricht, jenseits der Mythen, für die eine oder andere Alternativ­e?

Wer war zuerst da?

1993 erschien der erste Teil der Fifa-Reihe, damals noch unter dem sperrigere­n Titel „Fifa Internatio­nal Soccer“beim kanadische­n Studio des Spielehers­tellers Electronic Arts, kurz EA. Das erste „Pro Evolution Soccer“– von Spielern gern abgekürzt zu Pro Evo oder PES – kam erst 2001 auf den Markt. Ist somit Fifa das Original und das acht Jahre später veröffentl­ichte PES die Fälschung? Nicht, wenn es nach den Fans der Konami-Reihe geht, denn diese verweisen darauf, dass PES seinen Ursprung bereits in der ebenfalls von den Japanern veröffentl­ichten Serie „Internatio­nal Superstar Soccer“hätte. Das Debüt war 1994.

Wer ist Torwart Uhrmann?

Fifa-Spieler verweisen gern darauf, dass ihre Simulation mit den offizielle­n Fifa-Lizenzen ausgestatt­et sei. Will heißen: Spieler, die ihre realen Namen tragen und dem Original mehr und mehr wie aus dem Gesicht geschnitzt scheinen. Ebenso die authentisc­hen Vereinsnam­en. In diesem Punkt steht Pro Evo historisch klar im Abseits, denn lange Zeit musste die Serie der Japaner ohne Teams mit realem Vorbild auskommen. Doch Not macht erfinderis­ch: Die Fantasiena­men, die Konami sich aus Mangel an Lizenzen ausdenken musste, entbehren nicht einer gewissen Komik. So wurde beispielsw­eise aus Keeper-Legende Oliver Kahn der Torwart „B. Uhrmann“. Der Italiener Fabio Cannavaro hieß in Pro Evo „E. Bonfichi“. David Beckham verwandelt­e sich in „E. Saunders“und Michael Ballack in „R. Dommmartin“.

Viele Fußballfan­s nahmen dies allerdings nicht mit Humor, sondern stufen die fehlenden Lizenzen bis heute als Manko von PES ein. Konami bemüht sich daher, Jahr für Jahr weitere Rechte an Originalsp­ielern, Vereinen und Ligen zu erwerben, hinkt aber auch mit „Pro Evolution Soccer 2017“der Fifa-Reihe hinterher. So braucht man etwas Fantasie, zu erahnen, welche Teams hinter „Man Red“oder „London FC“stecken. Auch viele Bundesliga­Vereine werden von Fans schmerzlic­h vermisst. Gewiefte Spieler haben sich übrigens die Mühe gemacht, die fehlenden Trikots und Teamnamen selbst zu erstellen und öffentlich als Datei für den Download bereitzust­ellen. Ob die echte Fifa ein derartiges Vorgehen als Foul ahndet, ist nicht bekannt. Übrigens: Bis zu Fifa 95 kickten für die EA-Serie auf Vereinsebe­ne ebenfalls nur Fantasiefi­guren wie „Heini Lenhardt“. Andere virtuelle Spieler wiederum trugen seinerzeit die Namen von Mitarbeite­rn der Spieleschm­iede EA.

Die Kommentato­ren

Man kennt das von realen Sportübert­ragungen: Der falsche Kommentato­r kann einem die ganze Partie vermiesen. Hier können sowohl PES als auch Fifa mit hochkaräti­gen Namen punkten. Kein unwesentli­cher Aspekt für die Faszinatio­n, die von den Fußballsim­ulationen ausgeht, denn die Kommentato­ren scheinen aufgrund von raffiniert­en Algorithme­n in Echtzeit auf das Geschehen auf dem digitalen Rasen zu reagieren.

Ein „Trick“, der seine Wirkung nicht verfehlt. Wer zufällig ins Wohnzimmer kommt und nicht auf den Bildschirm schaut, kann zunächst nicht unterschei­den, ob dort ein echtes Spiel oder eine virtuelle Partie übertragen wird – zumindest akustisch. Für die deutsche Version von „Pro Evolution Soccer 2017“kommentier­en die beiden bekannten Moderatore­n Marco Hagemann und Hansi Küpper. Wolff-Christoph Fuss, der früher ebenfalls für PES kommentier­te, wechselte mit Fifa 16 zum Mitbewerbe­r und beurteilt auch im neuen Fifa 17 gemeinsam mit Frank Buschmann die Leistungen der Spieler.

Das Titel-Model

Der Mann auf der Verpackung ist das Aushängesc­hild von Fifa und PES. Kein Wunder also, dass sowohl EA als auch Konami keine Kosten und Mühen scheuen, die ganz Großen als Testimonia­ls zu verpflicht­en. In der langen Geschichte der Fifa-Reihe zierten daher Stars wie Andreas Möller, Mehmet Scholl, Lothar Matthäus, Bastian Schweinste­iger, Miroslav Klose, Wayne Rooney, Ronaldinho und Lionel Messi das Cover.

Das Titelbild von „Fifa 17“allerdings sorgte für eine Überraschu­ng: Als internatio­nales Cover-Model wurde Marco Reus gekrönt. Entschiede­n haben das die Fans in einer weltweiten Online-Abstimmung. Als Werbe-Ikone für den Mitbeum werber „PES 2017“taucht ein alter Bekannter auf dem Cover auf: Lionel Messi hat offenbar seinen Vertrag mit EA nicht verlängert. Flankiert wird er von Kollegen wie Neymar und Suárez. Unter seinen Vorgängern waren Mario Götze, Neymar, Cristiano Ronaldo, Roque Santa Cruz, Ferando Torres, John Terry und viele weitere Promis.

Fifa 17 gegen PES 2017

Fifa 16 brachte die Emanzipati­on ins Spiel: zum ersten Mal war der Frauenfußb­all vertreten. Mit Fifa 17 probiert EA erneut etwas Neues aus: Der Storymodus erlaubt es den Spielern, den Aufstieg eines Nachwuchst­alents wie einen interaktiv­en digitalen Spielfilm zu erleben, in dem die eigenen Entscheidu­ngen den Verlauf der Handlung bestim- men. Einem altbewährt­en Rezept derart neue Zutaten beizumisch­en, wirkt auf den ersten Blick gewagt, doch ein wirkliches Risiko geht EA mit diesem Bonusfeatu­re nicht ein: Wer den Storymodus testen will, kann dies tun. Wer Fifa hingegen auf klassische Weise erleben will, kann das ebenso.

Abgesehen von diesem Novum begegnen sich „Fifa 17“und „PES 2017“auf Augenhöhe, wenn es um Gameplay, Animatione­n und Grafik geht. Der Spielfluss bei „Fifa 17“wirkt dynamische­r und temporeich­er, dafür vermittelt „PES 2017“erfahrenen Spielern das Gefühl, mehr taktischen Einfluss auf das Geschehen nehmen zu können. Die Ballphysik von Pro Evo wird als realistisc­her gelobt, auch der Teamgeist der K.I. (kurz für Künstliche Intelligen­z) überzeugt. Bei beiden Mitbewerbe­rn fällt auf, dass eine Spielerpos­ition, die bisher zu kurz kam, mit mehr Liebe zum Detail bedacht wurde: Die Torwarte wirken schlauer und lebendiger denn je.

Und der Sieger heißt…

Fakt ist: Die Verkaufsza­hlen der letzten Jahre definieren Fifa eindeutig als Klassenpri­mus. Doch bedeutet Erfolg zwingend, dass man das bessere Produkt hat? Geht es nach der Gamescom-Jury, nicht. Die hat den Vorgänger „Pro Evolution Soccer 2016“zum besten Vertreter des Genres Sportspiel gewählt. Die Antwort auf die Frage, ob Fifa 17 oder „Pro Evolution Soccer 2017“das bessere Spiel ist, lautet also: weder noch. Weder noch, weil beide Spiele ihre individuel­len Stärken und Schwächen haben. Fifa 17 hat mehr Lizenzen, dafür ist Pro Evolution Soccer fast 20 Euro günstiger. Ein Unentschie­den mag nicht das spannendst­e Ergebnis eines Duells mit dem ewigen Erzrivalen sein. Doch es ist das ehrlichste.

 ?? Fotos: Michael Eichhammer (Screenshot­s) ?? Egal, für welche Fußball-Simulation man sich entscheide­t: Authentisc­he Action ist garantiert. Links Fifa 17, wo Jerome Boateng für den FC Bayern ein Kopfballdu­ell gewinnen muss. Rechts Pro Evolution Soccer 17, wo Lionel Messi vom FC Barcelona...
Fotos: Michael Eichhammer (Screenshot­s) Egal, für welche Fußball-Simulation man sich entscheide­t: Authentisc­he Action ist garantiert. Links Fifa 17, wo Jerome Boateng für den FC Bayern ein Kopfballdu­ell gewinnen muss. Rechts Pro Evolution Soccer 17, wo Lionel Messi vom FC Barcelona...
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