Mittelschwaebische Nachrichten
Die Bonner Kindheit
Erzählungen von Schauspieler Brandt
Der Name Willy Brandt kommt nur einmal vor, aber alle wissen, dass es um seinen Schatten geht. Zurückgenommen und skeptisch gegen jede Art von Pathos erzählt der Schauspieler Matthias Brandt in 14 Erzählungen von einer Kindheit in Bonn als jüngster Kanzlersohn. „Alles, was ich erzähle, ist erfunden“, behauptet er im Vorwort. Dann aber: „Einiges davon habe ich erlebt. Manches von dem, was ich erlebt habe, hat stattgefunden.“In „Raumpatrouille“werden Strömungen beschrieben, die das Leben tragen, meist unbemerkt, manchmal etwas ruckelnd. Das zeigt sich an einer rührenden Episode. Das Kind solidarisiert sich mit dem vorzeitig aus dem Amt geschiedenen Bundespräsidenten Heinrich Lübke in der Nachbarschaft. Es besucht ihn hin und wieder, hört dem alten Mann zu, dessen Brabbeln kaum noch verständlich ist. „Ich wusste, wie das war“, erklärt das Kind. Mehr wird nicht gesagt, die Melancholie des Daseins braucht nicht viele Worte. Auch beim Fahrradausflug, den der Junge mit seinem Vater und dessen Widersacher Herbert Wehner unternimmt, bei dem der Junge sich sorgt, der Vater dann stürzt: „Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen, dachte ich noch“, heißt es. Brandt geht es um das kindliche Gespür für atmosphärische Verdichtungen, für das Unheil, das kommt, bevor Mutter – die immer Migräne hat, nur nicht in ihrer Heimat Norwegen – und Vater von ihr erfasst werden. Das Kind hat sie registriert, ohne sie aufhalten zu können. R.Mischke