Mittelschwaebische Nachrichten
Kurz und gut
Die G 310 R ist die kleinste BMW seit Jahrzehnten. Sie wird in Indien produziert. Das hat einen Vorteil
„Das ist eine vollkommene, hundertprozentige BMW.“Was immer damit genau gemeint sein mag – nach der ersten Testfahrt mag man Stephan Schaller, dem Leiter von BMW Motorrad, mit dieser Aussage einfach mal pauschal recht geben.
So positiv überrascht die erste kleine BMW seit Jahrzehnten mit nur 313 Kubikzentimetern Hubraum. Sie heißt offiziell G 310 R, intern längst „die Drei Zehner“, und überzeugt rundum: Der Motor ist erstaunlich quirlig, das Fahrwerk selbst bei forscher Fahrweise angenehm neutral, die Verarbeitung absolut überzeugend, die Ausstattung reichhaltig.
Und das Beste: All das bietet BMW ab 1. Oktober auch noch zum fairen Preis von 4750 Euro. Damit unterbieten die Bayern zum Beispiel die direkte japanische Konkurrenz deutlich. Denn die Kawasaki Z 300 kostet immerhin 5195 Euro.
Lang gezogene Kurven mit schnell von links nach rechts wechselnder Schräglage, enge Ecken, aus denen heraus Druck auf der Kette gefragt ist, zahlreiche Überholmanöver: In derartigem Straßengeläuf wünscht man sich nicht zwingend ein 34-PS-Maschinchen, das vermeintlich nur zäh in die Puschen kommt. Aber weit gefehlt: Die brandneue kleinste BMW im Programm macht hier, rund um den oberbayerischen Ammersee, enorm Spaß. Die 34 PS Spitzenleistung der G 310 R liegen zwar erst bei 9500 Umdrehungen pro Minute und somit fast bei Höchstdrehzahl an; und auch die maximalen 28 Newtonmeter Drehmoment entstehen erst 2000 Touren früher. Dennoch hängt der Einzylinder quicklebendig am Gas, wenn man ihm nur genügend Drehzahl gönnt.
Er harmoniert weitgehend mit dem Sechsgang-Getriebe. Dessen oberen beiden Gänge scheinen allerdings etwas kurz übersetzt, denn der 313er-Motor dreht im sechsten Gang bei 80 km/h schon auf 5000 Touren pro Minute. Und manchmal lässt sich im Stand der Leerlauf regelrecht bitten, ehe er zwischen erstem und zweitem Gang einrastet.
Zum Ausgleich überrascht die kleinste BMW mit extrem möglichen Schräglagen, auch dank der Serienbereifung von Michelin. Die Fußrasten setzen gutmütig auf und erlauben problemlose Korrekturen.
Das Einzylinder-Triebwerk schluckt nicht viel: Im Normalfall wird man bei beachtlichen 3,2 Litern auf 100 Kilometer landen und kommt somit selbst mit dem bescheidenen Elf-Liter-Tank fast 350 Kilometer weit.
Dabei klingt der Single schön knackig. Ungewöhnlich: Da sein Zylinderkopf um 180 Grad nach hinten verdreht und geneigt ist, liegt der Ansaugtrakt vorn, der Auspuff hinten. Das ermöglicht geradlinige Wege für Frischgas und Abgas sowie eine platzsparende Bauweise. Die deshalb mögliche lange Hinterradschwinge bringt einen kurzen, für Agilität sorgenden Radstand mit sich. Dies und hochwertige Komponenten wie eine Upside-down-Gabel vorn summiert sich in vorbildlichem Fahrverhalten.
Offenbar hat BMW an den richtigen Stellen gespart: Die G 310 R entsteht beim indischen Kooperationspartner TVS in Bangalore. Die Inder bauen drei Millionen motorisierte Zweiräder pro Jahr. Über intensive Qualitätssicherung haben Abgesandte aus dem Berliner BMW-Hauptwerk über Jahre hinweg dafür gesorgt, dass die indischen Hallen jetzt ein markentypisches Produkt verlässt. Die BMW G 310 R glänzt, wo man auch hinsieht, mit sehr guter Verarbeitung – unter anderem mit vorbildlichen Schweißnähten. Und natürlich erlaubt es die Produktion in Indien, dass die kleine BMW zu einem Kampfpreis angeboten werden kann.
Das Fahrgefühl auf der „Drei Zehner“ist absolut befriedigend. Fahranfänger dürften sich auf dem nur 158,5 Kilogramm leichten Hobel und bei 785 mm Sitzhöhe ebenso wohlfühlen wie die ältere Generation der Wiedereinsteiger. Erstaunlich: Selbst sehr groß gewachsene Biker kommen mit dem zierlichen BMWchen gut zurecht. Jüngere und Ältere also sollen gewonnen werden, dazu weitere frische Kundschaft in neuen Regionen. Dazu gehören besonders Asien und Südamerika.
So soll die neue G 310 R mit hohen Stückzahlen wesentlich dazu beitragen, dass BMW Motorrad das ehrgeizige Ziel von 200000 Einheiten bis zum Jahr 2020 erreichen kann. Die Marschroute stimmt: Im ersten Halbjahr 2016 verließen über 80 000 BMW-Bikes die Werkshallen – das sechste Rekordjahr in Folge kündigt sich somit an.
Fazit Die Kombination aus quirligem Motor, souveränem Fahrwerk, hochwertiger Verarbeitung und reichhaltiger Ausstattung samt ABS, verstellbarem Federbein hinten und Ganganzeige ist überzeugend, besonders zum Preis deutlich unter 5000 Euro.