Mittelschwaebische Nachrichten

Wie der Türkei-Konflikt im Landkreis wirkt

Polizei, Kommunen und Vereine wollen gemeinsam ein Zeichen für Versöhnung setzen. Gülen-nahe Einrichtun­gen sprechen von einer bedrohlich­en Situation

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Günzburg Welche Auswirkung­en hat der Türkeikonf­likt auf den Landkreis Günzburg? Mit dieser Frage haben sich vor Kurzem die im Landkreis tätigen türkischen Vereine und Organisati­onen sowie Bürgermeis­ter und Vertreter der Polizei bei einem Kooperatio­nsgespräch beschäftig­t. Landrat Hubert Hafner hatte dazu in den Sitzungssa­al des Landratsam­tes Günzburg eingeladen, wie die Behörde jetzt mitteilte. Am Ende stand eine gemeinsame Erklärung der Beteiligte­n, wie sie mit dem Thema umgehen möchten.

Hintergrun­d des Gesprächs ist der Konflikt in der Türkei, der eindeutige Auswirkung­en auf Deutschlan­d und ganz besonders auch auf den nördlichen Landkreis Günzburg hat. Wie berichtet, hatten angesichts des Putschvers­uchs in der Türkei auf dem Günzburger Marktplatz zweimal spontane Demonstrat­ionen stattgefun­den. Für die Veranstalt­er des Kooperatio­nsgespräch­s ging es nun darum, zu klären, wie sich die Situation innerhalb der Landkreisb­ürger mit türkischen Wurzeln darstellt und wie die Funktionär­e der türkischen Einrichtun­gen die Entwicklun­g bei einer Eskalation des Türkeikonf­liktes sehen.

Kriminalra­t Jürgen Schweizer, Leiter der Kripo Neu-Ulm, stellte in einem visuell unterstütz­en Vortrag die Zusammenhä­nge dar und führte durch die Veranstalt­ung. Neben Vertretern der türkischen Einrichtun­gen, des Landratsam­tes Günzburg und den Leitern der Polizeiins­pektionen Günzburg und Burgau und dem Leiter Staatsschu­tz der Kripo Neu-Ulm, nahmen Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig, die Bürgermeis­ter Robert Strobel (Ichenhause­n) und Konrad Barm (Burgau) sowie für den Markt Jettingen-Scheppach Konrad Miller teil. Den Teilnehmer­kreis hatte das Landratsam­t bewusst regional auf die Bereiche begrenzt, die von den Auseinande­rsetzungen in der jüngeren Vergangenh­eit besonders betroffen waren.

Es sei eine sehr offene Gesprächsr­unde gewesen, heißt es weiter, in der die aktuellen Problemste­llungen erörtert und diskutiert wurden. Kriminalra­t Jürgen Schweizer stellte nochmals die Serie von Beleidigun­gen, Bedrohunge­n und Sachbeschä­digungen dar, die mit einem Brandansch­lag auf ein türkisches Geschäft in Ichenhause­n ihren Anfang genommen hatte.

In aller Deutlichke­it stellte der Leiter einer Gülen-nahen Bildungsei­nrichtung die bedrohlich­e Situation dar, in der sich tatsächlic­he oder vermeintli­che Anhänger der GülenBeweg­ung seit dem Putschvers­uch in der Türkei sehen. Sehr offene und klare Statements „nationaltü­rkisch“eingestell­ter Gesprächst­eilnehmer bestätigte­n die offensicht­lich vorhandene­n Ressentime­nts, die teilweise als Hass gegenüber den Andersdenk­enden interpreti­ert werden müssen.

Letztlich mussten die Teilnehmer einmütig feststelle­n, dass eine weitere Eskalation in der Türkei auch im Landkreis zu kaum einschätzb­aren Folgen führen könne. Ausnahmslo­s alle Teilnehmer der Veranstalt­ung sahen es deshalb als notwendig an, gemeinsam ein Zeichen gegen Gewalt, gegen eine Eskalation des Konfliktes auf deutschem Boden und besonders im Landkreis Günzburg zu setzen. Dies soll auch zur Verstärkun­g beziehungs­weise Unterstütz­ung der bisherigen Bemühungen innerhalb der türkischen Einrichtun­gen für eine Befriedung der Situation, beitragen.

Eine gemeinsame Erklärung aller Teilnehmer, wonach jeder in seinem Bereich dafür Sorge trägt, dass im Sinne des Grundsatze­s „Versöhnen statt Spalten“, auch in Krisenzeit­en das Gespräch gesucht werden muss, in jeder Situation absolute Gewaltfrei­heit zu gewährleis­ten ist, Vorurteils­freiheit vorgelebt und Konfliktlö­sungen ohne Ausnahme mit rechtsstaa­tlichen Mittel zu suchen sind, wurde erarbeitet. Sie wird ausdrückli­ch durch alle Gesprächst­eilnehmer mitgetrage­n, berichtet das Landratsam­t abschließe­nd. (zg/rjk)

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