Mittelschwaebische Nachrichten
Piëch gegen alle. Alle gegen Piëch
Der Volkswagen-Patriarch belastet nicht nur Ex-Chef Winterkorn. Auch Aufsichtsräte sind betroffen. Doch diese wehren sich vehement
Wolfsburg Bei der Aufarbeitung des Volkswagen-Dieselskandals bahnt sich ein massiver Konflikt zwischen dem Autobauer und dem früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch an. Der VW-Aufsichtsrat wies jetzt Anschuldigungen scharf zurück, die Piëch laut Medienberichten unter anderem gegen aktuelle Aufsichtsräte erhebt. In einer Stellungnahme hieß es, der Volkswagen-Vorstand werde mögliche Maßnahmen und Ansprüche gegen Piëch „sorgfältig prüfen“.
Als möglich in diesem Zusammenhang gelten eine Strafanzeige sowie Schadenersatzansprüche gegen Piëch. Der 79-Jährige ist Miteigentümer von Porsche und damit auch Großaktionär von VW. Piëch war bis April 2015 langjähriger VWAufsichtsratschef und galt als mächtigster Mann bei Volkswagen. Er trat nach einem internen Machtkampf mit dem damaligen VWVorstandschef Martin Winterkorn zurück. Winterkorn hatte damals Unterstützung vor allem vom Land Niedersachsen als VW-Großaktionär und dem Betriebsrat.
Die Bild-Zeitung berichtete nun unter Berufung auf eine Aussage Piëchs bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig, dass unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Betriebsratschef Bernd Osterloh bereits Anfang März 2015 von Hinweisen auf Abgas-Manipulationen in den USA erfahren haben sollen – und damit viel früher als bisher bekannt. Der Skandal war Mitte September 2015 öffentlich bekannt geworden.
Piëch soll demnach im Februar 2015 Informationen über einen möglichen Dieselbetrug von einem israelischen Sicherheitsunternehmen erhalten haben. Damit habe er den damaligen Vorstandschef Winterkorn konfrontiert. Er habe die Sache im Griff, hätte Winterkorn entgegnet, so die Aussage Piëchs. Über dieses Gespräch will Piëch anschließend das Präsidium des Aufsichtsrats unterrichtet haben – darin waren damals neben Weil und Osterloh auch Wolfgang Porsche und der frühere IGMetall-Chef Berthold Huber.
Der Aufsichtsrat von Volkswagen wies die laut Bericht von Piëch erhobenen Behauptungen „mit allem Nachdruck“als falsch zurück. „Eine ähnliche Darstellung, die sich neben dem ehemaligen Vorsitzenden des Vorstandes vor allem gegen eine Reihe aktueller wie ehemaliger Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums richtet, hatte Ferdinand Piëch im Frühjahr 2016 schon im Rahmen der internen, unabhängigen Untersuchungen gegeben“, hieß es in einer Stellungnahme. Die Darstellung sei durch die Kanzlei Jones Day detailliert überprüft worden. „Dabei haben sich keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptungen ergeben, sie wurden als unglaubwürdig eingestuft.“
Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil erklärte, ihm seien die Vorwürfe Piëchs seit einigen Monaten bekannt. „Sie sind einer unabhängigen Prüfung unterzogen und als unglaubwürdig bewertet worden. Tatsächlich hat es im Frühjahr 2015 von keiner Seite Hinweise an mich gegeben, Volkswagen nehme unzulässigerweise Einfluss auf Schadstoffwerte. Davon habe ich erst am 19. September 2015 erfahren. Jede anderslautende Darstellung ist schlichtweg falsch.“
Der frühere IG-Metall-Chef Huber und der VW-Betriebsratsvorsitzende Osterloh wiesen die Behauptungen ebenfalls als unwahr zurück. „Hätte uns Dr. Piëch in Kenntnis gesetzt, dann hätten wir das Unternehmen und die Belegschaften vielleicht vor großem Schaden bewahren können. Jetzt erwarten wir, dass der Vorstand umgehend prüft, ob er gegen Piëch vorgehen muss.“
Piëch hatte bereits wiederholt Ex-Konzernchef Winterkorn schwer belastet. (dpa)