Mittelschwaebische Nachrichten
Aus der Zeit gefallen
Ich gebe es zu: Ich bin oft ein wenig spät dran. Genauer: sehr viel zu spät. Bei Verabredungen sowieso, aber auch bei der Jahresplanung. Von Herbst bis Dezember schlage ich elegante Haken um die Kalenderstapel, mit denen Buchhändler ihre Läden zupflastern. Den kaufe ich morgen, denke ich. Oder nächste Woche. Spätestens im Dezember. Ganz zur Not im neuen Jahr. Reicht ja auch noch.
Die Folge: Während sich alle anderen schon unter dem Tannenbaum durch das Feiertags-Wirrwarr wühlen und nach Brückentagen fahnden, lasse ich die Zeit an mir vorbeirauschen. Ich jongliere die Termine derweil im Kopf. Mehr schlecht als recht natürlich. Denn dort ist ja auch nur begrenzt Platz.
Irgendwann, meist Anfang März, wird es meinem Kopf dann aber doch zu viel. Spätestens nach der zehnten Nachricht der alten Schulfreunde, dass man das gemeinsame Wochenende jetzt! doch! wirklich! buchen sollte. Ich seufze und sehe ein, dass ich irgendwie aus der Zeit gefallen bin.
Ein Kalender muss also her. Ein kleines Büchlein, in dem all das Platz findet, was mein leidgeprüftes Gehirn sich seit Monaten merken muss. Ich spaziere in die Buchhandlung. Wo denn die Terminplaner lägen? Ich würde gern ein Exemplar kaufen, sage ich, ein wenig stolz auf mich und meine Zielstrebigkeit. Die Verkäuferin schaut mich erstaunt an. Da müsse sie kurz ins Schaufenster krabbeln. Eventuell sei da noch einer, aber versprechen, sagt sie, könne sie nichts.
Zwei Minuten später kehrt sie triumphierend zurück, in der Hand ein lila-türkis gestreiftes Etwas. „Da, das ist der letzte“, sagt sie. „Sogar reduziert.“Ich schaue skeptisch. Diesem Ladenhüter soll ich mein Leben anvertrauen? Ich lehne ab. Und ärgere mich, dass ich wieder einmal nicht früher dran war. Vielleicht, denke ich dann, könnte ich jetzt schon einen Kalender für 2018 kaufen. Morgen gehe ich los. Oder nächste Woche. Spätestens im Dezember.