Mittelschwaebische Nachrichten
Keine Straße gleicht der anderen
Was Spezialisten aus Bayern und Baden-Württemberg nach Günzburg zieht. Und was sie mitnehmen
Günzburg Schade, dass die TV-Sendung „Wetten dass..?“nicht mehr ausgestrahlt wird. Unter den 580 Teilnehmern, die sich am Mittwoch teilweise früh am Morgen nach Günzburg zum „Straßenbauseminar“aufgemacht haben, hätte es wohl Experten mit geschultem Auge gegeben. Sie wären imstande gewesen, auf einen Blick die Spezialitäten einzelner Straßen herauszuarbeiten.
„Keine Straße gleicht der anderen.“Das sagt Kyriakos Vassiliou. Er ist nicht nur von der Industrieund Handelskammer (IHK) Schwaben öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Asphalt, Mineralstoffe und Recycling-Baustoffe im Straßen- und Deponiebau. Vassiliou organisierte als Technischer Geschäftsführer des Instituts für Materialprüfung (IFM) Dr. Schellenberg in Leipheim auch das Seminar, das „längst zu einem Kongress“geworden ist. Sogar der große Saal des Forums war dafür zu klein. Nicht jeder Angemeldete konnte auf einem Sitzplatz die insgesamt sieben Vorträge verfolgen.
Stefan Leitner von der Obersten Baubehörde berichtete über den Straßenbau in Bayern. Das Nadelöhr sei mittlerweile nicht mehr die Finanzierung. Die Bundesmittel hätten 2008 erstmals die Grenze von einer Milliarde Euro überschritten. Acht Jahre später liegen sie bei gut 1,6 Milliarden Euro. Nahezu die Hälfte davon wird in die Bestandserhaltung investiert. Zeit gehe vor allem für die Erlangung des Baurechts ins Land. „Es gibt immer mehr Gerichtsverfahren.“
Der Etat für Staatsstraßen bewegt sich im Freistaat bei 270 Millionen Euro. „Das Zustandsniveau der Straßen ist stabiler geworden, aber es ist bei weitem noch nicht gut.“
Um zu einer möglichst optimalen Straße zu kommen, werden die Dienste von Materialprüfungsinstituten wie dem in Leipheim in Anspruch genommen. Zurzeit beschäftigt sich ein Teil der 25 Mitarbeiter mit der Bodenuntersuchung für die Ortsumgehung Adelsried (Kreis Augsburg). Im Landkreis hat das IMF beispielsweise an der Ortsumfahrung von Burtenbach mitgewirkt. „Es kann durchaus sein, dass ein Teil des Bodens eine Straße nicht trägt und daher für den Bau ungeeignet ist“, erklärt Vassiliou und nennt Torf als ein Beispiel für „kritischen Untergrund“. Dann gebe es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Den betroffenen Teil des Bodens austauschen oder aber einen anderen Streckenverlauf wählen.
Die Beschaffenheit des Asphalts wird danach zusammengemischt, was eine Straße aushalten soll und welche Ziele im Vordergrund stehen. Ist es die Griffigkeit wie bei einer hochfrequentierten Autobahn? Oder wird auf Haltbarkeit mehr Wert gelegt? So etwas sei in der Regel bei einer ländlichen Verbindungsstraße die Maxime. Die Asphaltmischwerke haben laut Vassiliou „zwischen 50 und 70 verschiedene Rezepturen“, um Gegebenheiten vor Ort gerecht zu werden. Abgefräster Asphalt alter Straßen wird fast vollständig wieder eingebaut. Ausnahme: Gesundheitlich bedenkliche teer- und pechhaltige Materialien. Sie werden ab 2018 bei Bundesfern-, aber auch Staatsstraßen in Bayern nicht mehr wiederverwendet, kündigte Leitner an. Eine Deponierung oder Verbrennung in den Niederlanden (in Deutschland gibt es diese Möglichkeit nicht) nannte er als Alternativen.
Bei der Aufbereitung von Asphaltgranulat mahnte der Vertreter der Obersten Baubehörde die Unternehmer zu mehr Sorgfalt. Hochwertiges und weniger hochwertiges Material solle am besten getrennt aufbewahrt werden, um es an der richtigen Stelle im Straßenbau zu verwenden. Wenn die oberste, zwei bis vier Zentimeter starke Deckschicht qualitativ zu wünschen übrig lässt, wird eine Straße schneller als geplant zum Sanierungsfall.